Überschwemmter Stadtteil. Zwischen Häuserblocks steht braunes Wasser.

Folgen der Klimakrise für Beschäftigte der Modeindustrie

von Mia Schirmer

Die Modebranche trägt maßgeblich zur fortschreitenden Klimakrise bei und ist für massive Umweltschäden verantwortlich. Denn sie verursacht rund 10 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, mehr als der internationale Flug- und Schiffsverkehr zusammen. Ein Grund für die schlechte Klimabilanz in der Modeproduktion ist, dass die produzierte Kleidung häufig aus synthetischen Materialien wie Polyester, Acryl oder Nylon besteht, für deren Herstellung jährlich 342 Millionen Barrel Erdöl benötigt werden. Gleichzeitig sind Färben und Veredeln von Kleidung für geschätzte 20 Prozent der weltweiten Wasserverschmutzung verantwortlich.

Es ist noch ein sehr langer Weg bis zu einer klimaneutralen Textilproduktion, aber zumindest wird bei der Produktion der Materialien zunehmend versucht, recycelbare Materialien zu nutzen und Wasserverbrauchs und CO2- Emission zu mindern. Viel zu wenig wird aber die Auswirkungen der Klimakrise auf die Beschäftigten in der Modeindustrie betrachtet.

Schon jetzt ist bekannt, dass die Arbeiter*innen der Industrie von ausbeuterischen Arbeitsbedingungen betroffen sind: Häufig müssen die Beschäftigten übermäßig viele Überstunden leisten, arbeiten unter einem hohen Zeitdruck und erhalten dabei selten existenzsichernde Löhne. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz ist mangelhaft und es kommt zu physischer und psychischer Gewalt, von der insbesondere Frauen und andere marginalisierte Menschen betroffen sind. Zudem wird häufig erschwert oder unmöglich gemacht, sich gewerkschaftlich zu organisieren.

Diese bereits prekäre Situation wird durch die Auswirkungen der Klimakrise verschärft. So haben etwa zunehmende Hitze und Überschwemmungen für die Beschäftigten sowohl gesundheitliche als auch ökonomische Folgen. In Bangladesch, einem der wichtigsten Produktionsländer für Mode, wurde im April 2024 die längste Hitzeperiode seit mindestens 75 Jahren gemessen- an 30 aufeinanderfolgenden Tagen Temperaturen von mindestens 36 °C.

Hitzestress und die Folgen für die Gesundheit

Hitze hat schwerwiegende Folgen für die Gesundheit: So zeigt eine Studie aus dem Jahr 2023 in Santiago de Chile, dass bei Temperaturen von 38°C doppelt so viele Menschen ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen als bei Temperaturen von 25°C. Dabei kann Hitze sowohl physische als auch psychische Folgen für die Arbeiter*innen haben, beispielsweise Konzentrationsschwierigkeiten, Hitzeausschlag, Ohnmacht oder Hitzschlag. Zu erwarten ist deshalb, dass Arbeiter*innen bei außergewöhnlicher Hitze nicht genauso schnell arbeiten können wie unter Normaltemperaturen. Ihr Arbeitsalltag ist aber schon im “Normalfall” oft durch viel zu hoch gesteckte Produktionsziele des Managements geprägt. Diese werden mit verschiedenen illegitimen Strategien, darunter Anschreien, Drohung des Einhaltens der Löhne oder Weiterarbeit in Pausen und nach Dienstschluss durchgesetzt. Es ist zu erwarten, dass die Rechtsbrüche am Arbeitsplatz zunehmen, wenn der Produktionsdruck groß, aber die Leistungsfähigkeit der Arbeiter*innen aufgrund der Witterungsverhältnisse geringer ist.

Auch Gewerkschaftsvertreter*innen in Kambodscha berichten über den zunehmenden Hitzestress:

„Jetzt bekommen wir Beschwerden aus fast allen Fabriken. Es ist so heiß und [die Arbeiter*innen] bekommen auch Fieber und werden ohnmächtig. Auch wenn wir zur Arbeit fahren, ist es so heiß!“.

Die Auswirkungen der Hitze sind besonders gravierend, wenn es keine Klimaanlagen oder Ventilatoren gibt oder diese nicht alle Arbeiter*innen erreichen. Der Gewerkschaftsvertreter Seang Yot von C-CAWDA berichtet, dass von den rund 1.300 Fabriken in Kambodscha nur eine Handvoll ausreichend klimatisiert ist. Die Hitze hat auch ökonomische Folgen für die Beschäftigten, besonders dann, wenn aufgrund der Hitze die Arbeit nicht wahrgenommen werden kann.

Auch zunehmende Umweltkatastrophen wie Überschwemmungen haben gravierende Folgen für die Arbeiter*innen in der Modeproduktion. Nicht nur kann es zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen (Hautirritationen, Infektionen oder Magenbeschwerden), sondern Pheakdey, ein Gewerkschafter in Phonom Penh, berichtet beispielsweise von Lohneinbußen nach einer zweiwöchigen Überschwemmung:

„Die Fabrik kündigte an, die Fabrik für zwei Wochen zu schließen. Ich konnte der Fabrik noch helfen, indem ich einige Kleidungsstücke in ein anderes Gebäude brachte. Und dann verzögerte sich die Schließung um [eine] weitere Woche. Und dann, nachdem wir aufgeräumt hatten, bereiteten wir unseren Arbeitsplatz wieder vor. Und als Bezahlung gab es 30 % des Lohns… Nur 30 % des Lohns. Sie bezahlten die Arbeiter auf Tagesbasis. Es waren 1 bis 2 $ pro Tag“.

Klimakrise und Modeindustrie

In einer Studie von Parsons et al. wurde deutlich, dass dies zumindest in Kambodscha kein Einzelfall ist. 78 Prozent der Befragten berichteten von Lohneinbußen während der Überschwemmungen.

Meist bleibt dies aber nicht die einzige ökonomische Folge von Überschwemmungen: Häuser und Motorräder der Arbeiter*innen können in Mitleidenschaft gezogen werden. So geschah es etwa in Cirebon in Indonesien im März 2024; nach starken Überschwemmungen wurden die tausenden Motorräder der Beschäftigten auf dem angrenzenden Parkplatz weggeschwemmt.

Das ist nur eine Auswahl von Wechselwirkungen zwischen Klimakrise und Modeindustrie. Viele weitere könnten genannt werden – darunter Arbeitsmigration zu Produktionsregionen, wenn landwirtschaftlicher Broterwerb durch klimatische Veränderungen nicht mehr möglich ist oder steigende Lebenshaltungskosten aufgrund von Ernteausfällen.

Die gravierenden Folgen der Klimakrise für Arbeiter*innen in der Modeindustrie müssen in Zukunft mehr Gehör finden, denn ein gerechter und nachhaltiger Wandel in dieser Industrie kann nur erfolgen, wenn auch marginalisierte Gruppen ein Mitspracherecht haben und ihre Perspektiven einbringen können. Dabei muss die Widerstandsfähigkeit der Beschäftigten gegenüber Umweltkatastrophen und extremen Wetterereignissen gestärkt werden. Ein Ansatz ist das „Pay Your Workers Agreement“, welches versucht Staaten und Unternehmen zu verpflichten, dass Löhne auch nach Unterbrechungen der Produktion aufgrund klimabedingter Krisen weiter ausgezahlt werden.

Beitragsbild: © World Vision / Flickr
Just Transition, Klimakrise

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