Geschlechtsbezogene Gewalt und Belästigung, einschließlich sexualisierter Belästigung in der Arbeitswelt, gehören zu den weit verbreitetsten Menschenrechtsverletzungen. Der jüngste Bericht über die Vergewaltigung und Ermordung einer 20-jährigen Dalit Bekleidungsarbeiterin bei Natchi Apparels, durch ihren männlichen Vorgesetzten in Tamil Nadu, ist ein Beispiel dafür.
Natchi Apparels ist Teil der Eastman Exports Global Clothing Group und beliefert unter anderem H&M und Lidl. ´Frauen – die die Mehrheit der weltweiten Bekleidungsarbeiter*innen stellen – erleben die höchsten Raten sexueller Belästigung und geschlechtsspezifischer Gewalt am Arbeitsplatz. Geschlechtsspezifische Gewalt ist besonders schwerwiegend an Arbeitsplätzen, in denen das geschlechtsspezifische Machtungleichgewicht am größten ist und in denen Arbeitnehmer*innen nur begrenzte Möglichkeiten haben, sich für ihre Rechte einzusetzen, wie z. B. im Bekleidungssektor. In Indien sind Dalit-Frauen aufgrund von kastenbasierter Diskriminierung besonders gefährdet, und laut Berichten von Menschenrechtsorganisationen werden Dalit-Frauen tausende Male im Jahr sexualisierten Übergriffen ausgesetzt.
Aus den ersten Untersuchungen dieses Falles geht hervor, dass der tragische Verlust des Lebens dieser Frau das Ergebnis eines Zusammentreffens von Faktoren war, die mit repressiven Systemen und Strukturen verbunden sind, die Frauen entwerten und entmenschlichen. Als sofortigen ersten Schritt sollten alle Marken, die von Eastman beziehen, also auch Lidl und H&M, einer unabhängigen Untersuchung zustimmen.
Eine einseitige Untersuchung durch Marken ist kontraproduktiv, da bereits hinreichende Beweise dafür vorliegen, dass dabei ernsthafte Probleme bestehen. Weitere Untersuchungen sollten auf der Grundlage vereinbarter Mandate durchgeführt werden, zu denen die Tamil Nadu Textile und Common Labour Union (TTCU) zustimmen: entsprechend einer umfassenderen durchsetzbaren Vereinbarung zur Information über die Umsetzung von Maßnahmen zu Wiedergutmachung und Überwachung.
Bekleidungsarbeiterinnen sind nach wie vor Gewalt systematisch ausgesetzt. Die Standardmechanismen der Branche – freiwillige Selbstregulierung der Unternehmen – reichen nicht aus. Unternehmen müssen neuen Ansätzen Priorität einräumen, wie der Annahme verbindlicher Vereinbarungen mit Organisationen, die Arbeitnehmerinnen vertreten, um sicherzustellen, dass sie ihre Rechte am Arbeitsplatz ohne Vergeltung verteidigen können. Die Lesotho-Vereinbarungen von 2019 beweisen, dass es möglich ist, geschlechtsspezifische Gewalt in globalen Lieferketten auszumerzen. Indem die Stimmen und die Beteiligung der Arbeitnehmer*innen in den Mittelpunkt gestellt werden, und durch verbindliche und durchsetzbare Vereinbarungen mit Unternehmen, die für die Arbeitsbedingungen in ihren Lieferketten verantwortlich sind. Die Lesotho-Vereinbarungen bieten ein Modell für Eastman und andere Lieferanten in der Region, die seit Jahrzehnten mit geschlechtsspezifischer Gewalt, Diskriminierung und anderen schwerwiegenden Verletzungen die Arbeitnehmer*innenrechte untergraben.
Die oben genannten Marken sollten auch sicherstellen, dass Eastman in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit der Familie des Opfers verhandelt und sie nach den etablierten Maßstäben der Branche entschädigt. Dazu gehört die Anerkennung des Antrags der Familie auf Gewerkschaftsvertretung und dass die überzogene Anklage gegen Gemeindemitglieder zurückgezogen wird, die als Druckmittel zur Entlastung des Arbeitgebers genutzt wird.
Mehr Informationen über den Fall und die weiteren Forderungen findest Du hier.