Lohn zum Leben
Beschäftigte in der Bekleidungsindustrie weltweit bekommen in der Regel den gesetzlichen Mindestlohn. Er wird von Wirtschafts-Lobbygruppen und politischen Kräfteverhältnissen diktiert und ist deshalb in allen Produktionsländern von Bekleidung sehr niedrig.
Ein existenzsichernder Lohn dagegen ist ein Einkommen, das die Grundbedürfnisse befriedigt und einen Notgroschen beinhaltet. Sein einziger Bezug sind die notwendigen Mittel für die Befriedigung der Grundbedürfnisse der Familie und für Notlagen – eben ein Lohn zum Leben.
Das Verhältnis zwischen einem Basis-Existenzlohn und dem gesetzlichen Mindestlohn liegt in asiatischen Mode-Produktionsländern im Durchschnitt ungefähr bei 3 : 1, d. h. die Näher*innen müssten dreimal so viel verdienen, um ihre Grundbedürfnisse und ein Einkommen für Notlagen zu erhalten; in europäischen Produktionsländern wären es viermal so viel wie der Mindestlohn.
Armutslöhne im Zentrum der systemischen Ausbeutung
Armutslöhne bleiben leider im Zentrum der systemischen Ausbeutung in der Bekleidungsindustrie und im Zentrum des Geschäftsmodells der Bekleidungsindustrie – insbesondere seit der Corona-Krise.
Ohne Existenzlöhne kann jedoch von Nachhaltigkeit oder Fairness in der Bekleidungsindustrie nicht gesprochen werden. Ein Lohn zum Leben kann wirkliche Veränderungen in der Branche herbeiführen. Ein existenzsichernder Lohn ist ein Grundrecht, das in der UN-Menschenrechtserklärung wie auch in der Europäischen Sozialcharta verankert ist!
Modehändler und -marken sind in der Verantwortung, einen solchen Einkaufspreis an ihre Lieferanten zu zahlen, der es letzteren erlaubt, einen Lohn zum Leben zu zahlen. #LivingWageIsPossible
Jede arbeitende Person hat das Recht auf gerechte und befriedigende Entlohnung, die ihr und ihrer Familie eine der menschlichen Würde entsprechende Existenz sichert, gegebenenfalls ergänzt durch andere soziale Schutzmaßnahmen
Was ist ein Lohn zum Leben?
Ein Lohn zum Leben ist ein Arbeitseinkommen, das es einer Näherin ermöglicht,
- sich selbst und ihre Familie zu ernähren,
- die Miete zu zahlen,
- für Gesundheits-, Kleidungs-, Mobilitäts- und Bildungskosten aufzukommen sowie
- für unerwartete Ereignisse ein wenig Geld zur Seite zu legen.
Ein existenzsichernder Lohn soll der Grundlohn sein, welcher in einer regulären Arbeitswoche gezahlt wird unabhängig von Überstunden oder Boni. Diese reguläre Arbeitswoche soll nie mehr als 48 Arbeitsstunden betragen (IAO-Übereinkommen 1).
#LivingWageIsPossible: Aktionstag
Der 25. September 2024 ist der erste Aktionstag für einen Lohn zum Leben. Unser Ziel:
ein Arbeitseinkommen, das die Grundbedürfnisse deckt. Und zwar weltweit.
Für die meisten Arbeiter*innen ist ein solcher existenzsichernder Lohn ein unerreichbarer Traum. Wir leben in einer Welt großer Ungerechtigkeiten. In dieser Welt ist es möglich, dass bei derselben Markenfirma jemand 2 Millionen Euro pro Monat erhält, während andere mit 175 Euro ums Überleben kämpfen – der Unterschied zwischen einem CEO und einer Näherin!
Wenn Arbeiter*innen in Indien, Serbien oder Kambodscha Lohnerhöhungen fordern, heißt es, dass sie das wirtschaftliche Überleben des Unternehmens gefährdeten und Unmögliches erbäten.
Tatsächlich könnten Modemultis existenzsichernde Löhne zahlen, ohne ihre Profitabilität zu verlieren. T-Shirts beispielsweise würden nur 10 ct teurer, würden die Näher*innen einen Existenzlohn erhalten.
Näher*innen verdienen einen Lohn zum Leben! #LivingWageIsPossible
Türkei: der Fall Özak Tekstil
Thema des Aktionstags 2024: der Levi’s-Özak-Fall.
Der gesetzliche Mindestlohn betrug in der Türkei im Dezember 2023 etwa 360 EUR netto im Monat. Im gleichen Monat belief sich die Hungergrenze, eine Art Überlebensminimum, auf etwa 450 EUR, während der vom Gewerkschaftsdachverband Turk-iş berechnete Existenzlohn bei 1.480 EUR lag. Der Mindestlohn wie auch der Verdienst der Özak-Arbeiter*innen liegt somit unter der Hungergrenze, geschweige denn unter einem existenzsichernden Lohn.
Wenn Özak-Beschäftigte einen Lohn zum Leben verdienen würden, wären 400 von ihnen nicht entlassen worden. Sie hatten sich einer unabhängigen Gewerkschaft anschlossen, um für ihre Rechte zu kämpfen. Ihre Entlassung erfolgte ohne die ihnen gesetzlich zustehende Entschädigung.
Living Wage
Der Animationsfilm „Living Wage“ bringt die Ungerechtigkeit in den globalen Lieferketten der Bekleidungsindustrie ans Licht. Er basiert auf Untersuchungen des CCC-Netzwerks in Mittel-, Ost- und Südosteuropa. Sie zeigen, dass in diesem Teil Europas etwa 1,7 Millionen Textilarbeiter*innen, überwiegend Frauen, für Armutslöhne schuften. Die gesetzlichen Mindestlöhne liegen unter den von der Europäischen Union festgelegten statistischen Armutsgrenzen.
Mindestlohn vs. Existenzlohn
Der gesetzliche Mindestlohn in Asien (Zahlen Stand 2020) und Osteuropa (Zahlen Stand 2018) ist weit unter dem geschätzten existenzsichernden Basis-Lohn:
Ukraine
Serbien
Bangladesh
Kambodscha
Bulgarien
Türkei
Indien
Indonesien
Fashionchecker: Wie fair zahlt Deine Marke?
Marken und Modehändler spielen eine entscheidende Rolle, damit Arbeiter*innen einen Lohn zum Leben erhalten. Wir haben die führenden europäischen Brands unter die Lupe genommen, um herauszufinden, was diese Unternehmen konkret tun, um Existenzlöhne in der Produktion sicherzustellen. Hier gehts direkt zum Fashion Checker,