Mittelamerika
In Lateinamerika hat sich das sogenannte „Maquilasystem“ in Weltmarktfabriken – ausgehend von Mexiko – vor allem in Mittelamerika etabliert. Am stärksten sind die Maquilas in Nicaragua, Guatemala, El Salvador und Honduras in sogenannten Sonderwirtschaftszonen oder Freien Produktionszonen vertreten, wo jeweils einige zehntausend Beschäftigte in Montagebetrieben und Nähfabriken für Nordamerika, Westeuropa und teilweise sogar Ostasien arbeiten.
Die Löhne liegen in den mittelamerikanischen Ländern zwar nicht ganz so niedrig wie zum Beispiel in Bangladesch, sind aber durchaus wettbewerbsfähig. Außerdem gibt es neben dem zollfreien Zugang zum US-amerikanischen Markt noch den geografischen Vorteil gegenüber Asien aufgrund kurzer Transportwege und einem gut ausgebautem Straßennetz.
Das Maquilasystem hat einerseits zum Entstehen neuer Arbeitsplätze und gewisser Wirtschaftsentwicklung beigetragen, andererseits ähnlich wie in anderen Produktionsländern die sozialpolitische Problematik (zu) billiger Arbeitskräfte nicht gelöst. Die an den Staat abzuführenden Steuern und sonstigen Abgaben sind sehr gering, um möglichst hohe Investitionsanreize zu bieten.
Mitarbeiter in Maquilas (= Weltmarktfabriken)
Nicaragua
Honduras
El Salvador
Guatemala
Produktion für den Export
In Mittelamerika arbeiten heute ca. 420.823 Menschen in den sogenannten Maquilas in knapp 200 Sonderwirtschaftszonen. El Salvador und Honduras gehören zu den Top Ten der Exporteure von Bekleidung und Textilien in die Vereinigten Staaten. Honduras liegt seit 2015 auf Platz 8. Die vier mittelamerikanischen Länder Honduras, El Salvador, Nicaragua und Guatemala bringen es gemeinsam auf 10,17% der Einfuhren und sind damit nach China und Vietnam (40%) der drittgrößte Lieferant. Letztendlich gehen 90% der Exporte aus Mittelamerika in Richtung USA, allerdings nur 80% direkt. Ca. 15% werden in Form von Textilien und Stoffen erst in eins der vier Nachbarländer ausgeführt, wo sie weiterverarbeitet werden und dann zum größten Teil aber letztendlich in den USA landen. In Guatemala bilden mehr als 280 Unternehmen die Lieferkette der Textilunternehmen und Bekleidungsfabriken, die unter anderem Veredelungsdienstleistungen und zusätzliche Accessoires anbieten. Es werden Garne, Stoffe, Stickereien, Siebdruck, Sublimation, Zubehör, Färbung und andere spezialisierte Veredelungsprozesse angeboten. Dadurch wird in Guatemala im Vergleich mit den anderen Ländern der Region der höchste Mehrwert in der Wertschöpfungskette generiert.
Exporte in die USA in US-Dollar in 2020 (in Millionen)
Honaduras
El Salvador
Nicaragua
Guatemala
Quelle: OTEXA
Wir brauchen verlässliche Kontrollsysteme um Verbesserung zu erreichen.
Unsere Regierungen sollten Sorge dafür tragen, dass die Arbeitsrechte eingehalten und umgesetzt werden. Die bürokratischen Prozesse, die mit Kontrollsystemen verbunden sind, sind oft zu träge. ArbeiterInnen kann oft nicht unmittelbar geholfen werden. Unternehmer versuchen die Aussagen der Arbeitenden zu widerlegen, und somit verlaufen Aufklärungen oft im Sande. Es müssen daher effiziente, schnelle und verlässliche unabhängige Kontrollsysteme eingeführt werden, um Verbesserungen zu erreichen.
Gesetzlicher Mindestlohn
Guatemala 365,86 US-Dollar decken 94% des Grundwarenkorbs* (2021)
Honduras 370 US-Dollar decken 97% des Grundwarenkorbs* (2021)
El Salvador 359,16 US-Dollar decken 176% des Grundwarenkorbs* (2021)
Nicaragua 196,39 US-Dollar decken 68% des Grundwarenkorbs* (2021)
Quelle: Un salario digno es un derecho humano global, 2021. Equipo de Investigación, EIL, El Salvador, 2021 (“Ein würdiger Lohn ist globales Menschenrecht”)
*Der offizielle Grundwarenkorb für Lebensmittel wird in allen Ländern etwas unterschiedlich berechnet. Während zum Beispiel in El Salvador der Grundwarenkorb für eine Familie mit im Durchschnitt, 3,73 Personen und 22 Produkten (mit 2.160 Kalorien) berechnet wird, werden in Guatemala 34 Produkte (mit 2.262 Kalorien) für eine Familie mit durchschnittlich 4,77 Personen einbezogen. Über die Kosten für einen erweiterten Grundwarenkorb, der Kleidung, Gesundheit, Bildung, Strom, Wasser etc. einschließt, werden von staatlicher Seite keine offiziellen Angaben (mehr) gemacht.
Der Lohn reicht nicht zum Leben
Die Beschäftigten in den Maquilas der Textil- und Bekleidungsproduktion sind überwiegend Frauen, oftmals alleinerziehende Mütter, die den Unterhalt ihrer Familie verdienen müssen.
Die gesetzlichen Mindestlöhne in Mittelamerika garantieren bei weitem nicht die Existenzsicherung und die niedrigen Löhne führen dazu, dass ArbeiterInnen in den Fabriken extrem lange und bis zur Erschöpfung arbeiten müssen. Viele NäherInnen leben in Wellblechhütten in den Brennpunktvierteln rund um die Hauptstädte. Mit dem Gehalt aus der Fabrik können sie nicht einmal die Grundbedürfnisse ihrer Familie decken. Die Familien geraten in eine Schuldenfalle aus der es kein Entrinnen gibt, die psychische Belastung ist enorm.
Aussagekraft bekommt die Höhe der (Mindest-)Löhne erst im Vergleich mit den tatsächlichen Lebenshaltungskosten in den einzelnen Ländern. Dieser ist ernüchternd. Lediglich der Mindestlohn in El Salvador deckt die nötigsten Grundbedürfnisse einer Näherin. Rechnet man aber den Unterhalt weiterer Familienmitglieder ein und erweitert den Warenkorb für Nahrungsmittel um Ausgaben wie Bildung, Gesundheit, Kleidung, Miete, Transport usw. reicht der Lohn auch – und das bei weitem – nicht mehr. Die Unterbringung und Versorgung der Kinder während der Arbeitszeit in der Fabrik oder die Möglichkeit, Ersparnisse anzulegen, wäre dabei noch gar nicht berücksichtigt. Dafür müssten die Maquilas schon das Dreifache des Mindestlohns zahlen.
Das 4×4 System
Übermäßig viele Arbeits- und Überstunden sind vor allem dort, wo die Kleidungsstücke zusammengenäht werden, ein weit verbreitetes Problem. Um das hohe Produktionssoll zu schaffen, müssen NäherInnen oft bis zur totalen Erschöpfung arbeiten. In zahlreichen Fällen sind die Überstunden Pflicht, werden aber nicht unbedingt rechtmäßig vergütet. Oft kommt es vor, dass ArbeiterInnen „vorsichtshalber“ lange vor dem eigentlichen Arbeitsbeginn anfangen zu nähen, um die verlangte Stückzahl des Tages zu erreichen. So erhöhen sie ihre Chance auf eine Bonuszahlung, die sich an der erreichten Tages-Produktion orientiert. Das Schichtdienstsystem 4×4 findet in den Maquilas immer mehr Verbreitung. Nach 48 Stunden Arbeit an 4 Tagen mit Schichten über 12 Stunden, gibt es 4 Tage frei. Dies bedeutet nicht nur eine extreme körperliche Belastung, auch finanziell kann dies zum Nachteil der ArbeiterInnen ausgehen.
In El Salvador gibt es seitens der Regierung gerade das Bestreben das 4×4 System zu legitimieren, aber so kämen für die ArbeiterInnen die gesetzlich notwendigen 200 Tage geleisteter Arbeit im Jahr nicht zusammen, um das Recht auf Weihnachtsgeld, Urlaub, Abfindungen und Mutterschutz zu erreichen.
Außerdem gibt es in allen Ländern die Tendez zur Legalisierung von Zeitverträgen. Angewendet werden diese schon lange. Aber Gesetzesänderungen würden den Unternehmen dann auch rechtlich ermöglichen, ihre zeitlich befristeten Angestellten nur nach geleisteten Arbeitsstunden zu bezahlen. Ein Beitrag zur Sozial- und Krankenversicherung entfällt, Feiertage und Urlaub stehen ihnen nicht zu.