Ausbeutung ziehen wir uns nicht an!

Die Eröffnung des neuen Einkaufszentrums Milaneo am Mailänder Platz in Stuttgart erhielt heute morgen von einer Gruppe aus ca. 50 Personen eine deutliche Absage. Mit einer lautstarken Aktion zeigten die AktivistInnen die lokalen und globalen Menschenrechtsverletzungen und Umweltfolgen der Billig-Angebote, der hier angesiedelten Modeketten auf.

Die AktivistInnen hatten sich als hirnlose KonsumentInnen in Gebetsposition an ein überdimensionales goldenes T-Shirt gerichtet. In Sprechgesängen brachten sie ihre Bewunderung für einen grenzenlosen Konsum in diesem neuen Konsum-Tempel zum Ausdruck. Als das T-Shirt seine Rückseite mit den darauf stehenden Worten „Wenn das T-Shirt mehr wert ist als die Näherin liegt es an uns!“ offenbarte, sprangen die zuvor bewundernden Personen auf und skandierten laut „Ausbeutung ziehen wir uns nicht an!“, um geschlossen das Gebäude zu verlassen.

Der Protest macht auf die Ausbeutung von Mensch und Umwelt in der globalisierten Textilbranche aufmerksam. Die in Stuttgart aktive Regionalgruppe der Kampagne Saubere Kleidung betonte: „Konsum, ohne Rücksicht auf die Kosten und sei es das Leben, ist eine nicht zu verantwortende Wirtschaftsweise, die damit dem Aushängeschild der „Fair-Trade“ Stuttgart widerspricht. Die Modehändler in dem neuen Einkaufszentrum Milaneo sind mitverantwortlich für menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, fehlende ArbeiterInnen-Rechte und einsturzgefährdete Produktionsstätten.“

Schwester Norris Nawab, die sich in Pakistan für die Rechte von Frauen und ArbeiterInnen einsetzt und derzeit als Gast der missio-Diözesanstelle in Stuttgart ist, drückte ihre Betroffenheit aus:„Ich will, dass die Menschen hier in  Stuttgart sich der Verantwortung von Modeketten wie Primark und ihren KundInnen bewusst werden. Gemeinsam müssen wir uns für die Rechte und eine selbstbestimmte Zukunft der Menschen und besonders der Frauen in der Textilbranche in Pakistan und anderswo einsetzen. Nur so können wir neue Wege aus der Ungerechtigkeit für eine Zukunft jenseits von Armut und Ausgrenzung beschreiten.“

Im Kreise der AktivistInnen gab es ebenso Stimmen zu den stadt- und verkehrspolitischen Hintergründen des Milaneo-Baus. Dieter Bareis vom Klima- und Umweltbündnis Stuttgart sagte: „Das Milaneo ist ein gewaltiger Rückschritt für eine maßvolle und nachhaltige Flächennutzung und Verkehrspolitik, die wir so dringend für ein Stuttgart mit weniger Feinstaub und CO2, weniger Lärm und Flächenversiegelung bräuchten. Denn die neuen Einkaufsmöglichkeiten erzeugen zusätzlichen Verkehr und Staus. Dass freiwerdende Flächen vor allem dem Profit und kaum der Lebensqualität der BürgerInnen und Bürger dienen, offenbart die erschreckend konzeptlose und umweltfeindliche Praxis der Stuttgarter Stadt- und Verkehrspolitik.“

Den Zusammenhang von Konsum hier und den Lebensbedingungen dort brachte auch Marieke Kodweiß vom Stuttgart Open Fair zum Ausdruck: „So kann es nicht weitergehen: der grenzenlose Konsum, von den im Milaneo angebotenen Produkten, geschieht auf dem Rücken von Menschen und Umwelt. Ich wünsche mir, dass mit dem Bau von Gebäuden die Begegnung von Menschen weltweit ermöglicht und nicht unerträgliche Ausbeutungsverhältnisse fortgeschrieben werden.“

Im Milaneo-Center sind mit Primark, H&M, ZARA und C&A mehrere Akteure der Textilbranche angesiedelt, die von Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen für menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und den riskanten Einsatz von Chemikalien in der Produktion der Stoffe und Kleider in ihren Zulieferbetrieben verantwortlich gemacht werden. Auch die von diesen Unternehmen praktizierte Marketingstrategie von „fast fashion“ – Wegwerfmode, die in kurzen Abständen durch neue Produkte ersetzt werden soll – wird wegen ihres rücksichtslosen Umgangs mit Ressourcen und des dadurch entstehenden Drucks auf Preise und Löhne angeprangert. Die beteiligten Initiativen wünschen sich einen nachhaltigen, fairen Konsum und eine Stadtpolitik, die die globale Verantwortung der Stadt und ihrer BewohnerInnen berücksichtigt und die lokalen Umweltprobleme löst.

Kontakt
Silke Wedemeier,
Kampagne für Saubere Kleidung
Regionalgruppe Stuttgart
siwedem@yahoo.de

C&A, Fast Fashion, H&M, Primark, Zara

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