Dass die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie im globalen Süden häufig sehr schlecht sind, ist weithin bekannt. Die Kampagne für Saubere Kleidung ist angetreten, um dies zu ändern, und gilt heute als Beispiel für erfolgreiche Kampagnenarbeit im Nord-Süd-Bereich. Doch während die Zusammenarbeit zwischen den europäischen Mitgliedsorganisationen gut läuft, sind südliche Akteure untereinander häufig kaum vernetzt. Das soll sich nun ändern.
Es ist eine Erfolgsgeschichte. Die 1989 in den Niederlanden gegründete Clean Clothes Campaign (CCC, Kampagne für Saubere Kleidung) hat sich im Laufe der Jahre zu einem effektiven internationalen Netzwerk entwickelt. Mit Ablegern in 17 europäischen Ländern verbindet sie zahlreiche Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften sowohl innerhalb Europas als auch zwischen globalem Norden und globalem Süden.
Gerade die Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd ist eine der großen Stärken der CCC. Die Arbeiter*innen in südlichen Ländern und die Organisationen und Gewerkschaften, die sie unterstützen, sind alleine kaum dazu in der Lage, Kampagnen gegen die internationalen Textilunternehmen umzusetzen.
Diese Rolle übernehmen – in enger Abstimmung mit südlichen Partnern – Organisationen aus dem Norden und üben Druck auf die dort ansässigen Unternehmen aus, die in Asien, Afrika oder Lateinamerika produzieren lassen. Aus südlicher Sicht ist vor allem das System der Eilaktionen hervorzuheben. Dieses funktioniert schnell und zielgerichtet und hilft dabei, vor Ort bessere Arbeit machen zu könn
Der Druck zeigt Wirkung
Einige Beispiele aus jüngerer Vergangenheit zeigen, dass die CCC durch internationales Lobbying und Campaigning einige Erfolge erzielen konnte. Nach den Bränden in den Fabriken Ali Enterprises in Pakistan und Tazreen Fashion in Bangladesch sowie dem Gebäudeeinsturz von Rana Plaza in Bangladesch führte der Druck der CCC dazu, dass Abkommen für mehr Sicherheit geschlossen und Entschädigungen gezahlt wurden.
Die Kampagne zu Ali Enterprises begann mit einer Eilaktion. Am 11. September 2012 war in der Textilfabrik im pakistanischen Karatschi ein verheerendes Feuer ausgebrochen. Mindestens 254 Menschen starben, weil die es in der Fabrik kaum Fluchtwege gab und bis auf einen Notausgang alle verschlossen waren. Die CCC unterstützte die kurz darauf begonnenen Verhandlungen zwischen der Arbeitsrechtsorganisation „Pakistan Institute of Labour Education and Research“ (Piler) und dem Textildiscounter KiK, der in der Fabrik produzieren ließ. Die Verhandlungen führten dazu, dass der deutsche Textildiscounter eine Soforthilfe von einer Million US-Dollar bereitstellte.
Anschließend arbeiteten Piler und die CCC eng zusammen, um als zweiten Teil des Abkommens eine Einigung über längerfristige Hilfen zu erzielen. Sie entwarfen eine gemeinsame Kampagnenstrategie, die über den langen Zeitraum von vier Jahren Bestand hatte. Ein Beispiel für das effektive Campaigning ist eine Online-Petition bei Avaaz im Jahr 2015. Die CCC erstellte die Petition im Auftrag von Shahida Parveen, der Witwe von Muhammad Akmal, der bei Ali Enterprises gearbeitet hatte und bei dem Brand ums Leben kam.
Als Folge der Petition hatte Parveen die Möglichkeit, nach Berlin zu reisen und ihren Fall unter anderem gegenüber Vertreter*innen von KiK, dem deutschen Bundestag und dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zu schildern. Dadurch stieg der Druck auf KiK, sich erneut an den Verhandlungstisch zu begeben.
Am vierten Jahrestag der Feuerkatastrophe wurde schließlich ein globales Abkommens für langfristige Hilfen unterzeichnet. An einem bei der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) in Genf angesiedelten Fonds beteiligt sich KiK mit der Zahlung von 5,15 Millionen US-Dollar. Das Geld soll an die Hinterbliebenen der Brandopfer als monatliche Rente ausbezahlt werden, die als Ergänzung zu den niedrigen Beiträgen gilt, die die pakistanische Sozialversicherung bereitstellt.
Auch nach dem Brand in der Fabrik Tazreen Fashion am Rande von Bangladeschs Hauptstadt Dhaka, bei dem am 24.November 2012 112 Arbeiter*innen getötet wurden, erreichte die CCC Entschädigungen für die Hinterbliebenen. Allerdings beteiligten sich daran nicht alle der insgesamt elf Unternehmen, die nachweislich in der Fabrik produzieren ließen.
Beim Einsturz der Rana Plaza-Fabrik in der Nähe von Dhaka starben am 24. April 2014 1.134 Menschen, mehrere Tausend wurden verletzt. Auch nach dieser Katastrophe verzeichnete eine Kampagne konkrete Erfolge. Die CCC handelte zusammen mit Gewerkschaften Entschädigungszahlungen sowie das „Abkommen zum Brand- und Gebäudeschutz in Bangladesch“ mit aus, das im Mai 2013 unterzeichnet wurde und die Fabriken in dem nach China weltweit zweitwichtigsten Textilexporteur sicherer machen soll. Das rechtlich verbindliche Abkommen wurde von zahlreichen europäischen und nordamerikanischen Bekleidungsfirmen unterzeichnet.
Die ausgehandelten Vereinbarungen führen jedoch vor Ort manchmal zu Kritik und Kontroversen. So gehen die Einigungen zu den langfristigen Hilfen kleineren Gruppen von Opfervertreter*innen in Pakistan nicht weit genug. Sie fordern höhere Beträge, die zur Deckung des Lebensunterhalts ausreichen. Doch derartige Abkommen bewegen sich auch im Rahmen des internationalen Rechts. Im Fall von Ali Enterprises basiert das Abkommen auf den Bestimmungen der ILO-Konvention 121 zu Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Laut der Konvention dient als Grundlage für die Entschädigung der zuvor tatsächlich gezahlte und nicht ein existenzsichernder Lohn.
Die Herausforderungen bleiben groß
Natürlich gibt es in einem so breiten Netzwerk auch Defizite, etwa in der Kommunikation untereinander. Derzeit befindet sich die CCC in einem internen Reformprozess. Ein neuer strategischer Rahmen soll die Kampagnenfähigkeit weiter verbessern und dazu beitragen, eine größere Wirksamkeit zu erreichen.
Bisher funktionierte vor allem die Abstimmung der europäischen Organisationen untereinander und mit südlichen Partnerorganisationen gut. In Europa basiert die CCC auf gewachsenen Strukturen und einer gefestigten regionalen Kooperation. Die neue Struktur bietet nun mehr Raum für regionale Stimmen und bezieht den globalen Süden in Form von regionalen Koalitionen besser mit ein als vorher. Dies soll dazu beitragen auch die Zusammenarbeit innerhalb des globalen Südens zu verbessern.
So hat sich in Südasien mit der South Asian Regional Coalition im vergangenen November ein regionaler Zusammenschluss innerhalb des CCC gegründet. Eine derartige Kooperation ist für die Organisationen aus verschiedenen südasiatischen Ländern relativ neu und muss sich erst zu funktionsfähigen Strukturen hin entwickeln. Die Koordinierung und Kommunikation untereinander befindet sich derzeit im Aufbau.
Gerade in Südasien bleiben die Herausforderungen groß. Eine nachhaltige Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Bezahlung der Arbeiter*innen steht weiterhin aus, auch wenn sich die Bedingungen teilweise verbessert haben. Die Situation von Menschenrechtsverteidiger*innen und Gewerkschafter*innen verschlechtert sich aber beispielsweise in Bangladesch und Indien.
In Pakistan kann man nicht einmal von der Existenz einer Arbeiter*innenbewegung sprechen, denn weniger als ein Prozent der Arbeiter*innen sind gewerkschaftlich organisiert – eine alarmierende Zahl. Die CCC, die auch zu dem Thema Vereinigungsfreiheit arbeitet, könnte in diesem Bereich aktiver werden und die Arbeit von Gewerkschaften, beispielsweise durch gezielte Kampagnen unterstützen.
Das könnte im Fall Pakistans, wo es derzeit nicht einmal ein Gesetz zu Gewerkschaften gibt, auch mittels der Institutionen der Europäischen Union geschehen. Pakistan ist Teil des GSP-Plus-Systems und erhält von der EU Handelspräferenzen. Eine Möglichkeit wäre, dass die CCC auf die EU-Kommission einwirkt, um hier Druck zu erzeugen, damit die pakistanische und andere Regierungen in der Region zumindest keine gewerkschaftsfeindliche Politik machen.
Text von Farhat Fatima, aus dem Englischen von Tobias Lambert.
Farhat Fatima arbeitet seit 2009 beim Pakistan Institute of Labour Education and Research (PILER), das seit über zehn Jahren eng mit der Clean Clothes Campaign zusammenarbeitet, um die Rechte von Arbeiter*innen im Textilsektor zu stärken. Sie koordiniert unter anderem die South Asian Regional Coalition, die im Rahmen der CCC gerade als regionales Bündnis entsteht.
Dieser Artikel ist im INKOTA Magazin Südlink 179 erschienen