Ein neuer Daily Star-Artikel zeigt das verheerende Ausmaß der Auftragsstornierungen und verschobenen Aufträge in Bangladesch: Tausende Unternehmen, darunter mehr als 120 große Markenunternehmen kündigten bestehende Verträge mit Zulieferern in verschiedenen Produktionsphasen – manchmal wurden fertige Produkte, die im Hafen lagen, zurückgewiesen. Der Gesamtwert dieser Aufträge liegt bei rund 3,7 Milliarden Dollar. Eine überwältigende Mehrheit verlangt zudem massive Rabatte für bereits produzierte Produkte oder verzögert die Zahlungen um sechs Monate bis zu einem Jahr oder noch schlimmer, auf unbestimmte Zeit. Zu den Markenunternehmen, die das höchste Auftragsvolumen storniert oder verschoben haben, zählen u.a. Primark, H&M und C&A. Deutschland nimmt gemeinsam mit Schweden mit betroffenen Aufträgen in Höhe von 100 Millionen US$ einen traurigen zweiten Platz ein.
Anderen Medienberichten zufolge steigen die Bestellungen bei Zulieferern in Bangladesch auch nach der Wiedereröffnung von Bekleidungsgeschäften nicht an, da viele Einzelhandels- und Markenunternehmen planen, ganzjährige Basics und Reste früherer Kollektionen zu verkaufen, die während der Schließung im Frühjahr nicht verkauft wurden. „Wir glauben nicht, dass die Bestellungen für Kleidung in nächster Zeit zunehmen werden.“, sagte Siddiqur Rahman, ein Bekleidungslieferant aus Bangladesch für H&M und GAP Inc. In der Tat gab Nike bekannt, dass es bereits rund 30% seiner vor der Pandemie getätigten Fabrikbestellungen für die Urlaubssaison im Herbst und zum Jahresende storniert hat, und H&M sagte, dass es bis in den Herbst hinein einige „weniger saisonale“ Frühjahrsbestände verkaufen werde. Insgesamt lassen die Kaufentscheidungen bis zur letzten Minute auf sich warten, was den asiatischen Lieferanten noch mehr Schmerzen bereitet.
Angesichts der verheerenden Auswirkungen der Krise auf Zulieferer und Textilarbeiter*innen in Asien hat die Asia Floor Wage Alliance (AFWA) die dritte Ausgabe des Berichtes „Emperor Has No Clothes“ (Der Kaiser hat keine Kleider) herausgegeben, in der die Herausforderungen für Zulieferer angesichts der Corona-Maßnahmen und reduzierter Geschäftsaktivitäten beleuchtet werden. Der Bericht hebt hervor, dass die Mehrheit der Zulieferbetriebe in Asien aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie finanziell nicht in der Lage ist, ihren Betrieb aufrechtzuerhalten und vereinbarte Löhne zu zahlen. Der Bericht zeigt außerdem, dass Zuliefererverbände in vielen Ländern Zugeständnisse vom Staat fordern, u.a. Arbeitsrechte, die die Arbeiter*innen in jahrzehntelangem kollektivem Kampf errungen haben, wieder rückgängig zu machen. Der Bericht fordert einkaufende Markenunternehmen dazu auf, unverzüglich einen Beitrag zur Unterstützung ihrer Lieferketten (AFWA Supply-Chain Relief Contribution – SRC) zu zahlen, und argumentiert, dass jedes Wiederaufbauprogramm, das von Regierungen in Produktionsländern aufgelegt wird, umfangreiche Investitionen zur Unterstützung „gefährdeter Bevölkerungsgruppen“ – u.a. für Textilarbeiter*innen – tätigen muss.
Auf unserer Corona-Themenseite sammeln wir fortlaufend Beiträge aus unserem Netzwerk zur Corona-Pandemie und den Auswirkungen auf die Beschäftigten in den Produktionsländern.
Beitragsbild: COVID19 Nothilfe für Arbeiter*innen, organisiert von NGWF - Foto: NGWF