Gerade in der Bekleidungsindustrie sind im letzten Jahr die Auswirkungen der Pandemie durch das Corona-Virus in Form einer großen sozioökonomischen Krise deutlich geworden. Auftragsstornierungen seitens globaler Modemarken und des globalen Modehandels, verbunden mit aufgeschobener Zahlung der Lieferungen und verlängerte Zahlungsfristen, Massenentlassungen und Lohnkürzungen in den Produktionsländern, mangelnde Absicherung bezüglich Arbeits-, Gesundheits- und sozialem Schutz der Textilarbeiter*innen vor Ort sind nur einige Erscheinungsformen.
In der Kampagne für Saubere Kleidung Deutschland ging 2020 eine ‚Arbeitsgruppe COVID 19‘ den Auswirkungen der Pandemie auf die Spur und startete eine Umfrage bei 17 Unternehmen, die in Deutschland im Textilsektor tätig sind. Antworten kamen von 13 Firmen, und die AG konnte zum Ende des Jahres die Ergebnisse der Befragung zusammenfassen.
Hier nun ein kurzer Einblick in die Auswertung mit einigen konkreten Angaben. Wer genauere Informationen wünscht, kann sich gerne an Artemisa Ljarja, Eilaktionskoordinatorin der Kampagen für Saubere Kleidung wenden.
Welche sind die befragten Unternehmen?
Adidas, Aldi Süd/Nord, Armedangels, Ernstings‘ Family, Hugo Boss, KiK, Lidl, New Yorker, Otto Group, P&C, Puma, S.Oliver, Tako, Tchibo, Tom Tailor und Zalando erhielten den Fragebogen. Otto Group und S.Oliver gaben eine schriftliche Stellungnahme und Links zu ihren Aktivitäten ab. Keinerlei Antwort kam von KIK, New Yorker, P&C und Takko.
Wonach wurde gefragt und was waren die Antworten?
1. Die Frage nach der Bezahlpraxis, Anpassung der Zahlungsbedingungen und Stornierung zukünftiger Aufträge ergab, dass alle 13 Marken angaben, bereits erteilte Aufträge bezahlt zu haben, nur die Otto Group hat einzelne noch nicht gefertigte Bestellungen storniert. Die Mehrheit änderte auch die vorher vereinbarten Zahlungsbedingungen nicht, Ausnahmen sind hier im Wesentlichen Ersting’s Family, Hugo Boss, Puma und Otto Group.
Was die zukünftigen Bestellungen betrifft, ist die Auskunft sehr unterschiedlich: Von moderaten Kürzungen bei S.Oliver über die auf spätere Zeiträume verschobenen Aufträge von Adidas und Puma bis zu erheblichen Kürzungen neuer Aufträge von Hugo Boss und Tom Tailor ergab die Umfrage viele Einzelinformationen der Unternehmen über ihr Vorgehen mit den Lieferbetrieben.
2. Zu Entlassungen und Fabrikschließungen bei den Zulieferbetrieben konnte nur Armedangels genaue Angaben machen.
Von Fabrikschließungen in Bangladesch, Indien und Lateinamerika betroffen zu sein erklärte nur Puma und gab zur Frage von Entlassung/Beurlaubung in Großbritannien und USA weniger als 1% an. Die anderen Unternehmen antworteten nicht auf diese Frage weil sie keine Informationen haben oder sie geheim halten.
3. Gesundheit und Sicherheit der Arbeiter*innen in der Textilindustrie sind durch COVID 19 in besonderem Maße gefährdet, weil die Abstands- und Hygienemaßnahmen oft nicht eingehalten werden können. Wie setzten nun die befragten Unternehmen angemessene Maßnahmen zum Schutz der Arbeiter*innen um? Um es kurz zusammenzufassen: Die Mehrzahl der Firmen verließen sich darauf, dass ihre Zulieferbetriebe die behördlichen Auflagen befolgen, gaben die Vorschriften an ihre Handelspartner oder an Dritte weiter und setzten auf Audits Dritter zur Überwachung der Umsetzung von Arbeitsschutzmaßnahmen in den Produktionsländern. Über das Recht von Arbeiter*innen, unsichere Arbeitsbedingungen abzulehnen, gaben einige Firmen an, dass sie selbst dieses Recht respektierten und ihren Lieferfirmen oder Importeuren eine entsprechende Rechtbelehrung schickten.
Puma, S.Oliver und Zalando äußerten sich nicht zu dieser Frage.
4. Zur Geschäftsentwicklung der befragten Unternehmen konnte nur die Otto Group angeben, dass sie finanziell so aufgestellt ist, dass sie die aktuellen Schwierigkeiten gut meistert.
Den meisten Befragten nutzte die deutsche Kurzarbeit-Regelung, einige nutzten aber auch weitere staatliche Hilfen, nahmen Kredite auf oder beantragten die Stundung ihrer Mietschulden und/oder Steuern. Aldi Nord und Lidl beantragten keine staatlichen Hilfen und Steuerregelungen und einige Unternehmen profitierten auch von der Steigerung ihres E-Commerce-Anteils.
Insgesamt wurde hier eine breite Palette von Kompensationsmaßnahmen genannt.
5. Über die Zusammenarbeit mit anderen Modemarken und-Händlern lässt sich sagen, dass die Mehrheit der hier Befragten mindestens einer der Multi-Stakeholder-Initiativen angehört, die zur Zusammenarbeit bei der Bewältigung der COVID 19-Krise aufriefen. Und die meisten unterzeichneten auch den Bangladesh Accord on Fire and Building Safety oder Erklärungen der Initiative ACT.
6. Schließlich gaben etliche der Befragten an, dass sie sich mit der Produktion von wiederverwendbaren Gesichtsmasken oder Kleidung für Gesundheitspersonal an der Bewältigung der Krise beteiligt haben, indem sie das Material spendeten oder zum Selbstkostenpreis verkauften.
Auch wenn die Pandemie unerwartete finanzielle Herausforderungen für Marken und Einzelhandel bedeutet, so macht die Auswertung der Befragung wieder deutlich: Den größten Teil der ökonomischen Risiken in der globalen Wertschöpfungskette der Bekleidungsindustrie tragen die Zulieferbetriebe und ihre Arbeiter*innen. Sie tragen die Belastung durch die Kosten für Sicherheitsmaßnahmen im Betrieb, Zahlungsverzögerungen, Auftragsstornierungen etc.. Aber die Auslagerung/Abwälzung wirtschaftlicher Risiken auf die schwächsten und ärmsten Glieder in der Kette ist unvereinbar mit einer ernsthaften menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht.
Deshalb rufen wir Marken auf, #Payyourworkers und #Respectlabourrights