Eine intensive Zeit im Textilbündnis: Rückblick auf das Jahr 2017 und Ausblick auf 2018

…aus Sicht der zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen im Steuerungskreis

Bonn/Berlin, 13.12.2017: Mit dem Jahr 2017 geht eine intensive Testphase im Textilbündnis zu Ende: Alle Mitglieder mussten individuelle Aktionspläne (sogenannte Roadmaps) für das Jahr 2017 erstellen. Diese Aktionspläne wurden einer gründlichen Prüfung unterzogen, ob sie den selbstgesetzten Zielen des Bündnisses entsprachen und einen Fortschritt für das jeweilige Mitglied darstellten. Und schließlich verabschiedete der Steuerungskreis des Textilbündnisses Ende November verbindliche Zeit- und Mengenziele für die Jahre 2018-2020, die jedes Mitglied bearbeiten muss. Es ist also viel geschehen im Textilbündnis – und dennoch stehen auch für das Jahr 2018 wichtige Weichenstellungen an. Die folgenden Ausführungen sollen einen Einblick dazu geben, wie diese Prozesse von den zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen im Steuerungskreis des Textilbündnisses beurteilt werden.

Erstellung und Überprüfung der Aktionspläne

Das Textilbündnis befand sich 2017 im dritten Jahr seines Bestehens. In diesem Jahr fand erstmals der unabhängige Monitoringprozess, der sogenannte Review-Prozess, statt: Alle Mitglieder mussten individuelle Roadmaps einreichen und anhand eines vorgegebenen Indikatorenrasters Ziele in den Bereichen (1) Sozialstandards und existenzsichernde Löhne, (2) Umwelt- und Chemikalienmanagement sowie (3) nachhaltige Naturfasern setzen. Die Roadmaps wurden von einem externen Dienstleister auf ihre Plausibilität geprüft. Zahlreiche Mitglieder haben die Plausibilitätsprüfung nicht erfolgreich absolviert und mussten ihre Roadmap entsprechend nachbessern.

Zudem ist ein Teil der Mitgliedschaft der Pflicht eine Roadmap vorzulegen nicht nachgekommen, sodass im Laufe diesen Jahres rund 40 Mitglieder das Bündnis verlassen haben oder ausgeschlossen wurden. Dies ist ein konsequenter Schritt, um die Glaubwürdigkeit des Bündnisses zu gewährleisten. Es ist jedoch bedenklich, dass so viele Mitglieder sich der Erstellung einer Roadmap und somit der Konkretisierung der Zielverfolgung nicht gestellt haben.

Leider haben nur 20 Unternehmen ihre Roadmaps in diesem Jahr freiwillig veröffentlicht. Allerdings besteht ab 2018 eine Veröffentlichungspflicht für alle Roadmaps. Die verpflichtende Veröffentlichung ist eine zentrale Errungenschaft für die zivilgesellschaftlichen Akteure, da dadurch die geplanten Aktivitäten jedes Mitglieds in der Öffentlichkeit nachvollzogen werden können. Ab 2019 müssen auch die Fortschrittsberichte über die Zielerreichung verpflichtend veröffentlicht werden.

Ein Schritt nach vorn: Verbindliche Zeit- und Mengenziele

Bei der Plausibilitätsprüfung der Roadmaps wurde deutlich, dass Nachschärfungen notwendig sind: Eine Roadmap wurde im Testjahr 2017 nur dann als plausibel akzeptiert, wenn ihre Zielsetzungen einen Fortschritt gegenüber der Ausgangssituation des Mitglieds darstellten. Das bisherige Verfahren ließ aber nur in sehr begrenztem Maße eine qualitative Bewertung der Zielsetzung zu. So ist es für die Vertreter_innen der Zivilgesellschaft im Steuerungskreis ein Erfolg, dass sich der Steuerungskreis auf verpflichtende, für alle Mitglieder gültige Zeitziele geeinigt hat. Auch wenn die zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen für ambitioniertere Ziele gekämpft haben, so sehen sie die Einigung auf Zeit- und Mengenziele dennoch als Schritt nach vorn an, weil somit ein höherer Verbindlichkeitsgrad gesetzt wird. Durch gemeinsam gesetzte Zeit- und Mengenziele wird deutlicher, was von einem Mitglied im Rahmen des unabhängigen Monitoringprozesses verlangt wird.

Was noch fehlt: Ein überzeugendes Kontrollsystem

Im Jahr 2018 steht nun das erste Mal die Fortschrittsberichterstattung an: Alle Mitglieder müssen in den ersten Monaten des Jahres über die Umsetzung ihrer Aktionspläne 2017 berichten. Die Zielerreichung wird von einem externen Dienstleister überprüft. Die Zivilgesellschaft setzt sich dafür ein, dass dieser externe Dienstleister durch ein Gremium begleitet und kontrolliert wird, das über die fachliche Kompetenz verfügt und von den fünf im Textilbündnis vertretenen Akteursgruppen besetzt wird (ein sogenanntes Multi-Stakeholder-Gremium). Dies wird notwendig sein, da bei vielen Zielsetzungen in der qualitativen Bewertung durchaus ein Interpretationsspielraum besteht, ob ein Ziel erreicht wurde oder nicht. Die vielen Rückfragen während der Plausibilitätsprüfung des Jahres 2017 haben gezeigt, dass dieser Interpretationsspielraum nicht einfach dem externen Dienstleister überlassen werden kann, da dieser nicht das Mandat dazu hat, Interpretationen vorzunehmen und somit eher eine formale Prüfung vornimmt. Wichtig wird auch sein, dass das Multi-Stakeholder- Gremium die Wirkungsmessung der individuellen und kollektiven Maßnahmen der Mitglieder begleitet, sodass die Mitglieder nicht nur über ihre unternommenen Aktivitäten, sondern vor allem auch über die Wirkungen dieser Aktivitäten berichten.

Inhaltliche Schwerpunkte für das Jahr 2018

Weitere Schwerpunktthemen für das Jahr 2018 werden die Arbeit zu existenzsichernden Löhnen, Beschwerdemechanismen sowie zur Transparenz über die Lieferketten der Mitgliedsunternehmen sein. In diesen drei Bereichen will das Bündnis signifikante Fortschritte erreichen, was von den zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen im Steuerungskreis ausdrücklich begrüßt wird. Perspektivisch soll auch das Thema informelle Arbeit in den tieferen Lieferkettenstufen eine prominentere Rolle spielen.

Im nächsten Jahr werden auch gemeinsame Bündnisinitiativen in den Produktionsländern eine verstärkte Rolle spielen. Bisher wurden hier vier Bündnisinitiativen auf den Weg gebracht: (1) Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Spinnereien im Südindischen Tamil Nadu; (2) Chemikalienmanagement in China und Bangladesch; (3) Wassermanagement in der Textilindustrie in Pakistan sowie (4) Biosaatgutverfügbarkeit in Zentralasien. Bisher engagieren sich jedoch zu wenige Mitglieder in den Bündnisinitiativen, um die geplante systemische Wirkung zu erzielen. 2018 soll eine größere Beteiligung der Mitglieder an den Bündnisinitiativen erreicht werden, wobei das Kernthema existenzsichernde Löhne hierbei einen Schwerpunkt bilden wird.

Was trotzdem nötig ist: ein gesetzlicher Rahmen

Trotz der Fortschritte im Bündnis für nachhaltige Textilien sehen die zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen im Steuerungskreis gesetzliche Maßnahmen der nächsten Bundesregierung als geboten an, um breitere und schnellere Wirkung zu erzielen. Entsprechend der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte betrifft dies insbesondere die Offenlegungs- und Berichtspflichten, die Einhaltung menschenrechtlicher Sorgfaltspflichten sowie die Haftung von Unternehmen bei Verletzungen der Menschenrechte bei der Arbeit. Dadurch würden alle Unternehmen in die Verantwortung gezogen und das Engagement läge nicht nur bei den 50 Prozent der deutschen Textilwirtschaft, die derzeit Mitglied im Textilbündnis sind. Die Erfahrungen aus diesem Jahr im Textilbündnis zeigen, dass dieser Verpflichtungsgrad wesentlich dazu beitragen würde, substanzielle Verbesserungen zu erreichen.

Die zivilgesellschaftlichen Vertreter_innen im Steuerungskreis des Textilbündnisses:

Dr. Gisela Burckhardt, FEMNET e.V.
Dr. Sabine Ferenschild, SÜDWIND e.V.
Berndt Hinzmann, INKOTA-netzwerk e.V.

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