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One Belt – One Road – One Virus: Chinas „Neue Seidenstraße“ in Zeiten von Corona

Ohne Übertreibung kann China als der globale Player schlechthin bezeichnet werden. Arbeits- und Umweltbedingungen in China, politische Entscheidungen und Großprojekte beeinflussen die ganze Welt. Eins der seit einigen Jahren vorangetriebenen Großprojekte Chinas ist die „Belt and Road Initiative“ (BRI), auch als „Neue Seidenstraße“ bezeichnet. Als Land mit mittlerem Durchschnittseinkommen gehört China zwar nicht mehr zu den Ländern, die im Fokus der deutschen oder europäischen Entwicklungszusammenarbeit stehen. Aber wegen der großen politischen und ökonomischen Bedeutung Chinas haben chinesische Projekte – und damit auch die BRI – enormen Einfluss auf Schwerpunktthemen von Entwicklungspolitik und –zusammenarbeit sowie massive Auswirkungen auf Mensch und Umwelt in Kooperationsländern der Entwicklungszusammenarbeit in Asien, Afrika und Lateinamerika.

Die BRI gilt als „größte multilaterale Initiative zur globalen Wirtschaftsintegration“. Sie ist entlang von mehreren Hauptrouten strukturiert, die sowohl Landrouten („Silk Road Economic Belt“) als auch maritime Routen („21st Century Maritime Silk Road“) umfassen. Als ehrgeiziges Programm zur Verbindung Asiens mit Afrika und Europa über Land- und Seeverkehrsnetze zielt sie darauf ab, die regionale Integration zu verbessern, den Handel zu steigern und das Wirtschaftswachstum zu stimulieren. Mehrere tausend Projekte wurden seit dem Start im Jahr 2013 global entwickelt und umgesetzt – von einer Erdölpipeline in Myanmar bis zu einer Zugtrasse in Kenia. Konnektivität ist für China das Schlüsselwort für die neue globale Initiative. Während China das Entwicklungspotenzial der BRI betonte, gab es aber auch vielfältige Beschwerden über fehlende Transparenz, unklaren Kreditbedingungen, dem „Export“ schlechter Arbeitsbedingungen etc.

„Zusammen an der Gesundheits-Seidenstraße arbeiten“

Als SÜDWIND im letzten Jahr plante, sich dieses Großprojekt und seine Implikationen für globale Menschen- und Arbeitsrechte in den beteiligten Ländern genauer anzuschauen, war von Corona noch keine Rede: Erst Ende 2019 hat die durch Corona ausgelöste Pandemie ihren Ausgang in China genommen. Der chinesische Ursprung des Sars-Cov-2-Virus führt in einigen Online-Artikeln bereits zur Verknüpfung der Pandemie mit der „Neuen Seidenstraße“ („One Belt, One Road, One Virus“ oder auch „One belt, One Road, One Pandemic“). Doch auch China selbst nutzt das Bild der „Neuen Seidenstraße“, um seine eigene aktive Unterstützung der Partnerländer in der Bewältigung der Corona-Krise herauszustellen.

Unter dem Titel „Zusammen an der Gesundheits-Seidenstraße arbeiten“ fasst die Chinesische Entwicklungs- und Reformkommission (National Development and Reform Commission – NDRC) die Leistungen Chinas im Kampf gegen Corona zusammen: 120 Länder und vier internationale Organisationen habe China mit Hilfsmitteln inklusive medizinischer Masken, Beatmungsgeräten, Testkits u.a. versorgt. Lokale chinesische Behörden hätten im Rahmen von Städtepartnerschaften medizinische Verbrauchsgüter an 50 Länder gespendet, chinesische Unternehmen sogar an mehr als 100 Länder und internationale Organisationen. Bis zum 07. April hätte China außerdem 11 Ärzteteams in neun Länder (Italien, Serbien, Kambodscha, Pakistan, Iran, Irak, Laos, Venezuela und die Philippinen) geschickt und 20 Mio. US-Dollar an die Weltgesundheitsorganisation zur Unterstützung der internationalen Anti-Pandemie-Kooperation überwiesen.

Dass das NDRC im gleichen Zuge betont, es hätte vorbehaltlos alle Informationen und Erkenntnisse veröffentlicht, ist nicht unumstritten, zumindest nicht für die ersten Wochen, in der das Virus noch auf China beschränkt zu bleiben schien. Doch darum soll es hier nicht gehen, sondern um die Verknüpfung der von der chinesischen Regierung positiv dargestellten Rolle in der Pandemie mit dem globalen Infrastrukturprojekt der BRI. Die verbale Verbindung zwischen Corona-Bekämpfung und dem BRI-Projekt im Begriff der „Gesundheits-Seidenstraße“ beruht auf einer (außen-)politischen und einer materiellen Grundlage: Politisch betrachtet dient die offensive Unterstützung mit medizinischem Equipment einerseits und das globale BRI-Projekt andererseits der Stärkung der Rolle Chinas als Weltmacht, auch im Bereich der internationalen Sicherheitspolitik. Materiell betrachtet war China schon vor der Corona-Krise der weltweit größte Hersteller und Exporteur von Schutzmasken und -kleidung einerseits und verfügte andererseits durch das BRI-Projekt über die logistischen Verbindungskanäle, um diese medizinischen Güter in die BRI-Partnerländer zu transportieren. Nun kann es durchaus sein, dass beide Grundlagen – die politische und die materielle – wegbrechen oder instabil werden: Die Angriffe auf China, nicht rechtzeitig und transparent genug auf das Sars-Cov-2-Virus reagiert zu haben, nehmen zu und äußern sich in auch in rassistischen Anfeindungen, denen Menschen asiatischen Ursprungs ausgesetzt sind.

China erscheint wieder eher als Bedrohung denn als Partner. Während die Trump-Regierung alle Anstrengungen unternimmt, China die Schuld an der Pandemie zuzuschieben, reagiert China mit Gegen-Vorwürfen und unterstellt den Kritiker*innen, Chinas Umgang mit der Pandemie nur deshalb zu kritisieren, weil ihnen Chinas Aufstieg zur Weltmacht ein Dorn im Auge sei.

Die materielle Grundlage der BRI wiederum leidet aktuell am weitgehenden Zusammenbruch globaler Lieferketten, aber auch an knapper werdenden finanziellen Mitteln. So haben zum Beispiel chinesische Banken schon vor der Corona-Krise zögerlicher Kredite für BRI-Projekte in Indonesien, Kambodscha oder Pakistan gegeben. Die Corona-Krise scheint diesen Trend nun verschärft zu haben.

Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die „Neue Seidenstraße“ wieder Fahrt aufnimmt und die weltwirtschaftliche Integration vorantreibt, oder ob die Corona-Krise zu bleibenden Strukturveränderungen beiträgt, die von stärkeren Regionalisierungen und geostrategischen Konflikten zwischen den Handelsmächten geprägt sind.

Von Sabine Ferenschild, SÜDWIND INSTITUT 

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Grafik: Lommes, Creative Common Lizenz

 

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