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Gewerkschaftsrechte weltweit: Warum wir jetzt für soziale Gerechtigkeit und Demokratie kämpfen müssen

Die Angriffe auf Gewerkschafts- und Menschenrechte und deren Vertreterinnen und Vertreter haben in den letzten rund 10 Jahren zugenommen und erfordern von uns als Gewerkschaften couragierte Maßnahmen und Gegenrezepte.

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Themenbroschüre: Gewerkschaftsrechte weltweit: Warum wir jetzt für soziale Gerechtigkeit und Demokratie kämpfen müssen

Vorwort

Weltweit nehmen Angriffe auf Gewerkschaftsrechte zu. In vielen Ländern kommen Regierungen ihrer Pflicht nicht ausreichend nach, Menschenrechte und damit Gewerkschaftsrechte zu schützen. Ganz im Gegenteil, oft unterlaufen geltende Gesetzgebung und Gesetzesänderungen das Recht auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit. Beispielsweise wurden in über 140 Ländern Anti-Terror-Gesetze erlassen, um die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten. Das dient in der Praxis oft der Legitimation, gegen Proteste und Streiks vorzugehen und mündet oft in ihrer brutalen Niederschlagung.

Häufig sind die Arbeitnehmenden der Praxis von Unternehmen schutzlos ausgeliefert. Wenn Regelungen zum Arbeitsschutz missachtet oder Arbeitnehmende wegen ihres gewerkschaftlichen Engagements entlassen werden, haben sie wenig zu befürchten. Denn in vielen Ländern des globalen Südens sind die rechtsstaatlichen Institutionen zu schwach. Bevor es zu einer Entscheidung kommt, vergehen Jahre. Das können sich die meisten Arbeiternehmenden nicht leisten.

Um Investitionen anzuziehen, schaffen Regierungen selber Wirtschaftszonen, in denen das Arbeitsrecht beschnitten, das Streikrecht manchmal gänzlich ausgehebelt wird.

In einer globalisierten Wirtschaft, die derzeit ungenügend reguliert ist, werden die weltweiten Produktions- und Lieferketten dorthin verlagert, wo am billigsten produziert wird – auf Kosten der Menschenrechte der Arbeitenden. Die politischen Rahmenbedingungen verhindern aktuell nicht, dass der technologische Fortschritt im Bereich Digitalisierung aber auch die weltweite Migration zum Anstieg prekärer Arbeit führt. Dabei finden sich Frauen überproportional in prekären Beschäftigungsverhältnissen und Arbeitsmigrant_innen sind von Gewerkschaftsrechten oft ausgeschlossen.

Über unmenschliche Arbeitsbedingungen hinaus, ist die physische Gewalt bis hin zu Morden an Gewerkschafter_innen gestiegen. Die Philippinen und Kolumbien führen die traurige Statistik an. Umwelt- und Menschenrechtsaktivist_innen sind ebenfalls betroffen. Die Angriffe auf Gewerkschaftsrechte gehen einher mit dem schwindenden Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft generell. In den letzten zehn Jahren wird dieser Trend im entwicklungspolitischen Diskurs auch unter dem englischen Begriff Shrinking Space diskutiert. Zahlreiche Indizes, die in den meisten Ländern der Welt messen, wie es um die Demokratie und Freiheit steht (Freedomhouse), den Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft (CIVICUS) und die Gewerkschaftsrechte (Globaler Rechtsindex), belegen einen besorgniserregenden Abwärtstrend.

Die Einengung zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraums wird oft durch die Betonung nationaler Souveränität gegen die Einmischung des »Westens« legitimiert. Im globalen Süden resultiert dies historisch aus antikolonialen Kämpfen und wurde befeuert durch westliche militärische Interventionen etwa im Irak und Afghanistan. Das Argument, progressiv demokratische Akteure der Zivilgesellschaft seien ausländisch finanziert und somit auch gesteuert, wird hierzulande vielleicht besonders mit Russland in Verbindung gebracht. Aber in vielen Ländern weltweit werden Geldtransfers für die Demokratieförderung an die nationale Zivilgesellschaft zunehmend kritisch gesehen. Auch demokratische Staaten wie etwa Indien, Kanada, Australien führten externe Einmischung an, als sich lokale Aktivist_innen transnational vernetzten. Die Betonung der nationalen Souveränität geht oft mit nationalen Ressentiments einher. Andererseits erzeugen gerade eine starke Zivilgesellschaft und soziale sowie ökologische Bewegungen die Konterreaktion von Regierungen. Wenn sie Widerstand und Protest gegen die Ausbeutung von Natur und Mensch, große Infrastrukturprojekte, Amtsmissbrauch und Korruption leisten, versuchen Regierungen die bestehenden Systeme, Geschäftsmodelle und Projekte zu verteidigen, indem sie den zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum einschränken.

In zahlreichen Ländern haben Nationalisten, Populisten und Rechtsextreme die Regierungsmacht erobert (Brasilien, Polen, Philippinen, USA etc.). Auch in Europa erstarken nationalistische Kräfte, und populistische Parteien mit vermeintlich einfachen Lösungsvorschlägen zu den aktuellen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen gewinnen an Zuspruch. In Deutschland erleben wir ebenso, wie geschickt Populisten ihre Propaganda über (soziale) Medien verbreiten und Aufmerksamkeit erlangen. Wer nicht zustimmt oder kritisch ist, wird zum politischen Feind und zum Feind der Meinungsfreiheit erklärt. Die Verbreitung von Fake News und die Diffamierung freier Presse zerstört das Vertrauen in recherchierte und belegbare Nachrichten und Berichte und damit eine Grundlage unserer Demokratie – die Möglichkeit sachlich miteinander zu streiten

Wenngleich die Gründe für diese Entwicklungen teilweise landesspezifisch sind, gibt es überall auch vergleichbare Ursachen. Das sind der politische Machterhalt und die Sicherung der wirtschaftlichen Interessen einer Mehrheit der Eliten. Die innergesellschaftliche Zunahme sozialer Ungleichheit und die mangelnde Aussicht auf sozialen Aufstieg, die Angst vorm Abstieg sowie Gefühle der kulturellen Bedrohung. Letztere werden politisch instrumentalisiert, um gegen ethnische Minderheiten zu hetzen, gegen soziale oder Minderheiten sexueller Orientierung. Hinzu kommt ein schwindender Zuspruch zur Demokratie. Die Wahrnehmung, dass die politische Führung nicht im Stande oder nicht Willens ist, eine zunehmend komplexe Welt zu lenken, lässt für einige vielleicht autokratische Alternativen attraktiv erscheinen.

Demokratien zerfallen schleichend und die Signale stehen auch in Deutschland auf Rot. Wir müssen daher jetzt für soziale Gerechtigkeit und Demokratie kämpfen! Gewerkschaften kommt dabei eine Schlüsselrolle zu, das belegen wissenschaftliche Studien und Demokratietheorien.

Die vorliegende Broschüre beschäftigt sich zunächst damit, wie es um die Situation der Gewerkschaftsrechte weltweit steht, und versucht, folgende Fragen zu beantworten: Wovon sprechen wir, wenn von Gewerkschaftsrechten die Rede ist, wie sind sie im internationalen Menschenrechtsschutzsystem verankert und wie werden sie umgesetzt? Welche Rolle spielt die Internationale Arbeitsorganisation, in der auch Vertretungen der Arbeitnehmenden auf Ebene der Vereinten Nationen mitreden und mitbestimmen? Vor welchen Herausforderungen steht die ILO angesichts eines kriselnden Multilateralismus?

Nach dieser Einführung geht es um mögliche Instrumente, Gewerkschaftsrechte in einer globalisierten Wirtschaft durchzusetzen. Was sind die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und was hat die jüngst lancierte Kampagne für ein Lieferkettengesetz in Deutschland damit zu tun? Können Handelsabkommen ein Instrument sein, um Menschenrechte durchzusetzen? Was hat es mit globalen Rahmenabkommen, einem von Gewerkschaften entwickelten Ansatz, auf sich?

Schließlich schauen wir uns konkret die Lage von Gewerkschaften im globalen Süden an. Es wird aus Brasilien berichtet, wo ein ultrarechtes und ein marktliberales Projekt zusammengehen und Gewerkschafts- und Arbeitsrechte sowie Demokratie massiv untergraben. Mögliche Antworten auf die Herausforderung des chinesischen Engagements im Bausektor Subsahara Afrikas werden erläutert und gewerkschaftliche Strategien gegen Angriffe auf demokratische Werte und Rechte in Süd- und Südostasien vorgestellt.

Wir bedanken uns bei den Autorinnen und Autoren für ihre Beiträge und bei allen Beteiligten für ihr Mitwirken!

Viel Spaß bei der Lektüre,
Valerie Franze

DGB Bildungswerk, Gewerkschaftsrechte, Vereinigungsfreiheit

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