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Offener Brief an die DFL

Für mehr Mut und Verantwortungsübernahme in der Lieferkette

Die Kampagnen für Saubere Kleidung und Sport handelt Fair haben sich in einem Schreiben an die Deutsche Fußball-Liga (DFL) gewandt. Es wurde die veröffentlichten Kriterien zum Lieferkettenmanagement unter die Lupe genommen, die im Zuge der Nachhaltigkeitslizenzierung für Profivereine relevant werden. Aber lest selbst!

 

Sehr geehrte Verantwortliche der DFL, sehr geehrter Herr Lenz, sehr geehrter Herr Stefes,

mit großen Hoffnungen haben wir die neue Nachhaltigkeitsrichtlinie für die Lizenzierung der Fußball-Bundesligisten erwartet. Auch wenn der deutsche Profifußball mit diesem Schritt ein notwendiges Zeichen für die Zukunft setzt, sind wir verwundert und auch enttäuscht über Ihren nun veröffentlichten Katalog. Es ist für uns nicht verständlich, dass Sie als Vertreter*innen einer der größten Fußballligen der Welt in einem der reichsten Länder der Welt, angesichts der voranschreitenden Klimakrise und sich zuspitzenden globalen Ungerechtigkeit nicht bereit sind, die notwendige Transformation des bestehenden Systems anzugehen. Ihrer gesellschaftlichen und globalen Verantwortung werden die Vereine nur gerecht, wenn sie sich deutlich ambitioniertere Ziele für mehr Nachhaltigkeit setzen.

Wir, die Kampagne Sport handelt Fair und die Kampagne für Saubere Kleidung, haben uns bereits am 11. März dieses Jahres an Sie gewandt, um unsere Expertise zum Thema faires und nachhaltiges Merchandise anzubieten und bei der Kriterien-Entwicklung zu unterstützen. Unser Angebot haben Sie damals dankend mit folgendem Zusatz abgewiegelt: „Sollten im weiteren Prozess der Erarbeitung der Richtlinie Fragen insbesondere zur Thematik rund um nachhaltiges Merchandising aufkommen, wenden wir uns sehr gerne an Sie“. Wir kontaktieren Sie nun, da wir ebenso wie das Bündnis Zukunft Profifußball der Ansicht sind, dass die Kriterien insgesamt in Bezug auf Ihre Wirksamkeit und Ernsthaftigkeit nicht ambitioniert genug sind. Insbesondere die Kriterien zum Lieferkettenmanagement weisen aus unserer Sicht noch erhebliche Mängel auf.

Zunächst finden wir es richtig, den Prozess der Nachhaltigkeitslizensierung in mehrere Stufen zu unterteilen, um den Ansprüchen und Herausforderungen der Bundesligavereine gerecht zu werden. Leider stellen wir jedoch fest, dass die Mindestkriterien I fehlen und die Mindestkriterien II lediglich eine Status Quo-Abfrage darstellen. Der Begriff „Mindestkriterium“ wird seinem Anspruch in keiner Weise gerecht, da schon eine Beantwortung der Fragen dazu führt, dass ein Kriterium erfüllt wird. In Zukunft bedarf es daher einer Anpassung, die tatsächliche Mindestkriterien formuliert.

Mit der aus ihrem Kriterienkatalog hervorgehenden Annahme, dass in Europa produzierte Artikel per se eine bessere Alternative sind, liegen Sie falsch. Auch in der Türkei oder in osteuropäischen Ländern werden Textilarbeiter*innen keine existenzsichernden Löhne bezahlt. Auch die Nachhaltigkeit von Fantextilien an dem Vorliegen von Labeln zu betrachten, ohne zu spezifizieren, welche Siegel für faire und/oder ökologische Herstellung als glaubwürdig eingestuft werden können, ist irreführend. In Bezug auf Siegel gibt es weiterhin einige Probleme, die auch mit dem damit zusammenhängenden Auditsystem verknüpft sind. Dennoch sind einige Labels besser als andere und sie sind das Mindeste, auf das Vereine setzen können. Es ist daher wichtig zu spezifizieren, welche Siegel anerkannt werden, und auch auf die Bedeutung einer Kombination aus sozialen und ökologischen Standards hinzuweisen. Überdies sollten die Vereine in einem Dialog mit den Ausstattern diesen gegenüber deutlich machen, welche zentrale Rolle für sie die Einhaltung von ILO Arbeitsnormen (insbesondere der Kernarbeitsnormen sowie Arbeitszeitbegrenzung, existenzsichernder Lohn, vertraglich gesicherte Beschäftigungsverhältnisse, Arbeits- und Gesundheitsschutz) wie auch von Umweltstandards in der Produktion ihrer Fanartikel zukünftig bei der Auswahl der Produkte spielen wird.

Wir wissen, dass sie allein nicht in der Lage sind, die seit Jahrzehnten anhaltenden Missstände in der Bekleidungsindustrie zu beenden. Wir erwarten jedoch, dass Sie und ihre Mitgliedsvereine einen ernsthaften Beitrag leisten, um der Ausbeutung von Menschen und der Zerstörung von Ökosystemen entgegenzuwirken. Denn weiterhin herrschen die bekannten Missstände im Hinblick auf grundlegende Menschenrechte in vielen Produktionsstätten der Textilindustrie: Löhne, die oft nicht annähernd zum Leben reichen, gesundheitsgefährdende oder sogar lebensgefährliche Arbeitsplätze, (sexualisierte) Gewalt gegenüber Frauen oder unterdrückte Gewerkschaftstätigkeiten.

Nicht nur die Menschen in den weltweiten Produktionsstätten leiden, auch die ökologischen Folgen sind verheerend. Die Bekleidungsbranche verursacht weltweit 1,2 Mrd. Tonnen CO2 pro Jahr (so viel wie der internationale Flug- und Schiffsverkehr zusammen). Die Ausgaben der deutschen Konsument*innen im Sportartikelmarkt betrugen laut dem Positionspapier „Nachhaltiger Sport 2030“ des BMUV ca. 18,5 Milliarden Euro im Jahr 2020 und bieten damit einen enormen Hebel für einen nachhaltigeren Wandel.

Wir fordern Sie auf, die Profivereine zu mehr Verantwortungsübernahme zu bewegen und möchten Sie einladen, dies mutig und ambitioniert zu tun. Ein verpflichtender Mindestanteil an fair- und ökologisch-zertifizierten Merchandise-Produkten und die Aufnahme von Gesprächen mit Ausstattern Ihrer Vereine wären ernsthafte Schritte, die ihren Nachhaltigkeitsbemühungen mehr Glaubwürdigkeit verleihen können.

Für Rückfragen stehen wir gerne bereit und freuen uns, wenn wir unser Wissen mit einbringen können, um uns gemeinsam für mehr Nachhaltigkeit im Profi-Fußball zu engagieren.

Freundliche Grüße

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