Menschenrechtsorganisationen drohen mit Beschwerde über Textilunternehmen, die Sicherheit in Fabriken vernachlässigen
Bonn / Berlin. Heute, am 24. November 2022, jährt sich der Brand von Tazreen, bei dem über 110 Textilarbeiter*innen in Bangladesch ums Leben kamen, zum zehnten Mal. Genau sechs Monate später starben in den Trümmern von Rana Plaza mehr als 1.100 Menschen, die Kleidung für internationale Modeunternehmen nähten.
Das „Abkommen für Gebäudesicherheit und Feuerschutz in Bangladesch“ (Bangladesh Accord) war eine Reaktion auf diese Tragödien und hat erfolgreich dazu beigetragen, solch vermeidbare Katastrophen in der Bekleidungsindustrie zu verhindern, wo alle anderen Programme versagt haben. Der Accord in Bangladesch gilt als der erfolgreichste Mechanismus zur Verbesserung der Sicherheit am Arbeitsplatz weltweit. Dennoch haben einige führende Unternehmen, die in Bangladesch produzieren lassen, bis heute weder den Bangladesh Accord noch seinen Nachfolger – den Internationalen Accord, der eine Ausweitung des Abkommens auf andere Länder wie Pakistan vorsieht – unterzeichnet.
„20 Jahre Sozialaudits haben nicht zu besseren Arbeitsbedingungen geführt, vielmehr dienten die Zertifikate den Unternehmen als Freifahrtschein, sich nicht selbst um bessere Bedingungen in den Fabriken zu kümmern. Die Unterzeichnung des Accords bedeutet, dass Unternehmen auch selbst verantwortungsbewusst handeln und nicht als Trittbrettfahrer von anderen profitieren, die die Vereinbarung unterzeichnet haben“, sagt Dr. Gisela Burckhardt, Vorstandsvorsitzende von FEMNET und Expertin für Menschenrechte in der Textilindustrie.
„Im Januar 2023 wird das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) in Kraft treten. Dann sind Unternehmen endlich gesetzlich dazu verpflichtet zu handeln, wenn sie erfahren, dass ein Risiko in ihrer Lieferkette besteht. Die Unternehmen wurden unzählige Male in den letzten zehn Jahren dazu aufgefordert, endlich den Accord zu unterzeichnen, jetzt ist es an der Zeit, das gesetzlich verpflichtend zu machen.“
FEMNET hat sich dafür mit der Menschenrechtsorganisation ECCHR zusammengetan, die mit juristischen Mitteln Menschenrechtsverletzungen von Unternehmen weltweit entgegentritt. Gemeinsam mit weiteren Unterstützer*innen wenden sich FEMNET und ECCHR daher heute in einem öffentlichen Brief an jene Unternehmen, für die ab 2023 das deutsche LkSG gilt und die den Internationalen Accord noch nicht unterzeichnet haben: Tom Tailor, Deichmann, IKEA und Amazon.
„Das deutsche Gesetz muss einen Beitrag dazu leisten, Arbeiter*innen effektiv zu schützen. Wir sind davon überzeugt, dass die Nichtunterzeichnung des Accord eine Verletzung der Sorgfaltspflicht von Unternehmen darstellt“, so Dr. Miriam Saage-Maaß, Rechtsanwältin und Legal Director des ECCHR. „Wir werden daher die verfügbaren juristischen Mittel prüfen, um Unternehmen hier in die Pflicht zu nehmen.“
Die deutschen NGOs werden dabei von Betroffenen in den Produktionsländern unterstützt. „Zertifizierungen und Audits haben das Leben tausender Arbeiter*innen in Bangladesch und anderen Ländern wie Pakistan nicht retten können. Diese Instrumente haben sich immer wieder als unzureichend erwiesen, um die Sicherheit in Fabriken zu gewährleisten. Wir fordern gemeinsam mit unseren deutschen Kolleg*innen, dass das Leben der Arbeiter*innen hier endlich wirksam geschützt wird“, so Kalpona Akter, Präsidentin der Gewerkschaft Bangladesh Garment & Industrial Workers Federation (BGIWF).
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