Wollte ich die Arbeit der Kampagne der letzten 20 Jahre vorstellen, müsste ich ein Buch schreiben. Hier also nur ein kurzer Überblick unserer Aktivitäten, der auf keinem Fall den Anspruch der Vollständigkeit erhebt.
Geschichte & Erfolge
Blick zurück
Kampagne für Saubere Kleidung: die ersten Jahre
Am 19. Oktober 1996 trafen sich Vertreter*innen der Christliche Initiative Romero, des DGB Nord-Süd-Netzes, der Evangelische Frauenarbeit in Deutschland, des Institut SÜDWIND und Terre des Femmes zu einem Strategieseminar in Bad Kreuznach.
Hintergrund dieses Treffens waren alarmierende Berichte aus den Textilfabriken Asiens und Mittelamerikas, in denen insbesondere junge Frauen unter oft unmenschlichen Bedingungen arbeiten. In Anlehnung an die bereits 1989 in den Niederlanden gegründete Clean Clothes Campaign hoben die Seminarteilnehmer*innen die „Kampagne für Saubere Kleidung“ aus der Taufe.
1999 waren bereits 16 Organisationen der Kampagne beigetreten und der erste Rundbrief der Kampagne erschien. Besondere Highlights zu Beginn waren die Aktionen anlässlich der Winter- und Sommerschlussverkäufe. Aktivist*innen der ersten Stunde machten mit Infoständen auf die unmenschlichen Arbeitsbedingungen aufmerksam. Gleichzeitig dazu fanden erste Gespräche mit Textilunternehmen wie Otto, adidas, Steilmann und C&A statt. Galt es doch, die Unternehmen mit den Zuständen in den Textilfabriken zu konfrontieren und auf Verbesserungen zu drängen. Auch die internationale Solidaritätsarbeit mit Arbeiter*innen wurde mit großem Engagement im Rahmen der Eilaktionen begonnen.
Kampagne „Fit for fair“
Im Januar 2000 startete dann gemeinsam mit der internationalen Clean Clothes Campaign die Kampagne „Fit for fair“, bei der die Sportartikelhersteller im Fokus standen. Zum ersten Mal kamen Näher*innen aus Mittelamerika nach Deutschland, die im Rahmen einer Rundreise über die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken authentisch berichteten.
2002 fand dann der große „Fit for Fair“-Kongress in der Sporthochschule Köln statt.
Runder Tisch Verhaltenskodizes
Am 17.01.2001 trafen sich auf Einladung des Bundesministeriums für internationale Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) bei der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bonn Vertreter*innen von verschiedenen Ministerien, der Gewerkschaften, der Arbeitgeber (OTTO, BDI; AVE) und Nichtregierungsorganisationen (VENRO, FIAN, Transfair, CCC) zu einer ersten Sitzung des „Runder Tisch Verhaltenskodizes“. Das Ziel des Runden Tisches war es, die Umsetzung von Arbeits- und Sozialstandards in Entwicklungsländern durch Verhaltenskodizes von Unternehmen (Codes of Conduct) zu verbessern. Nach einer fast vierjährigen Mitarbeit am Runden Tisch Verhaltenskodizes und einem zweieinhalbjährigen Verhandlungsprozess über ein Pilotprojekt im Bekleidungssektor zog sich die deutsche Kampagne für Saubere Kleidung November 2004 von diesem Gremium zurück.
Pilotprojekte & Kampagnenarbeit
2003 wurde das erste CCC-Pilotprojekt in Deutschland mit Hess Natur gestartet. Ziel des Projektes war die Einführung eines Verhaltenskodex, der alle Sozialstandards der CCC enthält, sowie einer unabhängigen Umsetzungskontrolle. Seit 2005 beschäftigt sich die Kampagne auch mit dem Thema ökofaire öffentliche Beschaffung. Die Discounter und Arbeitsbekleidungsunternehmen standen in den Jahren 2010 bis 2014 im besonderen Fokus der Kampagne.
Transparenz: für Offenlegungspflichten von Unternehmen
2012 engagierte sich die Kampagne ganz massiv für die Offenlegungspflichten für Unternehmen. Die Bundesregierung versuchte zu verhindern, dass die EU-Kommission eine Transparenz-Richtlinie verabschiedet, obwohl es völlig unklar ist, wie weitreichend die Berichtspflichten überhaupt sein werden. Dabei scheint Deutschland das einzige Land zu sein, das sich empört, andere Länder (z.B. Frankreich) hatten schon weiterreichende Berichtspflichten. Ziel dieser Richtlinie: Sie soll Unternehmen verpflichten, regelmäßig über die Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Umwelt und Menschen in der gesamten Lieferkette zu berichten.
Rana Plaza
Am 24. April 2013 geschah das größte Unglück der Geschichte der Textilindustrie: Der Gebäudekomplex Rana Plaza in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka brach wegen Baumängeln zusammen und tötete mehr als 1.134 Menschen. Abgestimmt mit der internationalen CCC initiierten wir direkt eine große Öffentlichkeitskampagne, um die Forderungen der Geschädigten zu verbreiten. Mit Erfolg: Noch im gleichen Jahr unterzeichneten 40 Unternehmen das Abkommen für Brandschutz und Gebäudesicherheit in Bangladesch (ACCORD). Herzstück des Abkommens ist die Verpflichtung der Handelsunternehmen und Marken, die Kosten für die Instandsetzungen und Maßnahmen zu zahlen. 2014 gründete sich anlässlich des Jahrestages der Rana Plaza Katastrophe das Bündnis für nachhaltige Textilien. Die Kampagne wurde dort Mitglied und arbeitete bis 2022 in diesem Bündnis mit.
Indonesien: PT Kizone
PT Kizone war eine Fabrik in Indonesien, die Kleidung für Marken wie adidas herstellte. Im Jahr 2011 wurde die Fabrik plötzlich geschlossen, und 2.800 Arbeiterinnen verloren ihre Jobs und Einkommen. Nach einer zweijährigen weltweiten Kampagne mit Streikposten, 50.000 Unterschriften von Unterstützer*innen und einer überfluteten adidas-Facebook-Seite stimmte adidas schließlich 2013 zu, die Arbeiter*innen zu entschädigen. Dies war ein wichtiger Präzedenzfall, in dem eine globale Marke Verantwortung übernahm, wenn ihre Zuliefer-Fabriken schließen. Dies war einer der Erfolge unserer Fallarbeit in enger Zusammenarbeit mit der internationalen Clean Clothes Campaign.
Geschlechtsbezogener Gewalt in der Bekleidungsindustrie beenden!
Ein langfristiges Ziel der CCC ist es, ein Bewusstsein für die Problematik geschlechtsbezogener Gewalt in der Bekleidungsindustrie zu schaffen. 2019 hat die deutschen Bundesregierung endlich die ILO-Konvention zu geschlechtsbezogener Gewalt unterzeichnet. Die Kampagne für Saubere Kleidung Deutschland hatte sich zuvor mit gezielten Aktivitäten dafür eingesetzt und dazu beigetragen, dass die Bundesregierung die Bedeutung dieser Konvention erkannt und sie unterzeichnet hat.
Wir sind Verein!
Mit 25 Mitgliedsorganisationen und 12 Regionalgruppen war die Kampagne für Saubere Kleidung Deutschland nun 25 Jahre lang ein beachtliches Netzwerk und eine feste Institution, wenn es um Arbeitsrechte in der Bekleidungsproduktion geht. „War“, weil es nun kein Netzwerk ohne Rechtsform mehr ist, sondern seit dem 11. Februar 2021 ein gemeinnütziger Verein! Der Schritt war lange geplant und hat unser Bündnis seither institutionell gestärkt und administrative Arbeit wie Spendenverwaltung, Anstellung Hauptamtlicher und Finanzen vereinheitlicht.
Initiative Lieferkettengesetz
Unternehmen – gerade globalisierte Modemarken – müssen dafür Verantwortung übernehmen, dass die Menschenrechte in ihren Lieferketten eingehalten werden. Deshalb forderte die EU schon seit Jahren „Nationale Aktionspläne“ (NAP) von ihren Mitgliedsstaaten. Die auf Freiwilligkeit basierenden Maßnahmen der damaligen Bundesregierung führten aber zu nichts. Also gründete sich schon 2019 anlässlich des siebten Jahrestages der verheerenden Brandkatastrophe in der Textilfabrik Ali Enterprises in Pakistan die Initiative Lieferkettengesetz für eine verbindliche Regelung. Und nach knapp zwei Jahren Lobbyschlacht war es dann soweit: Am 11. Juni 2021 verabschiedete der Bundestag das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz LkSG. Ein Kompromiss zwar, aber auch ein Erfolg, wie ihr hier genauer lesen könnt.
Existenzlöhne wird Fokus-Thema im Textilbündnis
Die CCC betont seit vielen Jahren, wie wichtig ein existenzsichernder Lohn für die Angestellten der Textilindustrie ist. Das führte dazu, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) das Thema aufgriff. Existenzlöhne wurde ein Fokus-Thema im Textilbündnis – ein unerwarteter Erfolg unserer gezielten Aktionen, Aufklärung und Auseinandersetzung mit Unternehmen!
Die mutige rumänische Arbeiterin Angelica Rădulescu (frühere Manole) kämpfte für ihren vollen Lohn, den sie für ihre Näharbeit verdiente. Tatsächlich hatte sie im Lockdown der Corona-Pandemie bei voller Arbeit nur 693 Lei (ungefähr 140 Euro) für einen ganzen Monat Arbeit erhalten – weit weniger als der Mindestlohn. Die Fabrik Tanex entließ sie, nachdem sie sich öffentlich über die Lohnungleichheit geäußert hatte, doch sie ließ nicht locker. Gemeinsam mit der CCC konfrontierte sie die Kund*innen von Tanex mit dem Fall. Darunter: Edelmarken wie Massimo Dutti (Inditex) und JOOP.
Die Modemarken setzten die Fabrikführung unter Druck und Angelica bekam ihren Job zurück. Mit Unterstützung der CCC erkämpften sie außerdem 2022 die Auszahlung der ausstehenden Löhne für sich und ihre Kolleg*innen. Diese Geschichte zeigt, wie wichtig es ist, für faire Arbeitsbedingungen einzutreten und gemeinsam stark zu sein.
OLYMP: Arbeiter*innen der Orljava-Fabrik erhalten Abfindungen
Die Arbeiter*innen der Orljava-Fabrik erhalten nach 18 Monaten Kampagnen und Aktionen in Kroatien und Deutschland ihre ihnen zustehenden Abfindungen! Die kroatische Regierung hat 2023 beschlossen, knapp 500.000 € Abfindungen an 237 ehemalige Arbeiter*innen der Fabrik Orljava zu zahlen. Dies ist ein wichtiger Erfolg für die Beschäftigten, die lange auf diese Zahlungen gewartet haben. Die Fabrik hatte fast 50 Jahre lang Hemden für die deutsche Marke OLYMP hergestellt und ging 2021 in Konkurs. Die Beschäftigten, meist Frauen Anfang 50, haben mindestens 18 Jahre in der Fabrik gearbeitet und wurden mitten in der Covid-19-Pandemie arbeitslos.
Unsere Arbeit zeigt Wirkung!
Sportliche Megaevents wie Fußball Europa- und Weltmeisterschaften sowie die Olympischen Spiele, internationale Modeschauen, europaweite Initiativen zur Unternehmensverantwortung waren und sind Anlässe für bundesweite Aktionen der Kampagne. Und immer wieder schreckliche Unfälle in den Textilfabriken. Die Katastrophen ziehen sich durch die gesamte Geschichte der Kampagne. Immer wieder mussten wir Forderungen formulieren und die betroffenen Unternehmen anprangern.
Im Laufe ihrer nun über 20-jährigen Geschichte konnte die Kampagne eine Vielzahl von Erfolgen erkämpfen. Unrechtmäßige Kündigungen von Gewerkschafter*innen müssen zurückgenommen, Entschädigungsfonds eingerichtet, ausstehende Löhne gezahlt werden.
Doch leider gibt es nach wie vor keine strukturellen Verbesserungen im Arbeitsalltag der Näher*innen. Nach wie vor gibt es Hungerlöhne, nach wie vor gibt es marode Textilfabriken, nach wie vor gibt es extrem lange Arbeitszeiten. Es gibt also noch viel zu tun.