Menschenrechtsverstöße in der Produktion für Modemarken mit Hauptsitz in Deutschland geschehen auch in Europa. Die Kampagne für Saubere Kleidung veröffentlicht seit 20 Jahren Recherchen zur Situation der Textilarbeiter*innen in Mittelost-, Ost- und Südosteuropa einschließlich der Türkei. Sie zeigen: Die Coronakrise hat die Menschenrechtslage weiter verschlechtert – auch in Europa.
Das Menschenrecht auf einen existenzsichernden Lohn wird jeden Tag verletzt. Schlimmer noch: Keine Näherin bei den jüngst untersuchten Lieferanten deutscher Modemarken verdiente über der EU-Armutsschwelle.
Gesetzlicher Mindestlohn reicht nicht zum Leben
Näher*innen erhalten in der Regel den gesetzlichen Mindestlohn. Dieser beläuft sich im Durchschnitt von 15 Ländern der Region 2021 auf 61 Prozent der EuroStat-Armutsgrenze sowie auf 26 Prozent eines europäischen Basis-Existenzlohnes. Und selbst diesen Lohn erhalten Näher*innen nicht immer. Bei einem Esprit- und Gerry Weber-Lieferanten in der Ukraine wurde der Lohn während Recherchen im Herbst 2020 mit monatelangen Rückständen und unvollständig gezahlt.
Deutschland ist nach wie vor eine der größten Modehandelsnationen der Welt. Mittelost-, Ost- und Südosteuropa einschließlich der Türkei sind strategische Produktionsstandorte für die deutsche Modebranche. So sind Modefirmen mit Hauptsitz in Deutschland die wichtigsten Auftraggeber für Mode in der Ukraine und der Türkei, in Tschechien, Ungarn und Bulgarien – und die zweitwichtigsten für Rumänien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien.
Im post-sozialistischen Osten Europas arbeiten allein in der Bekleidungsindustrie (ohne Schuhindustrie) aktuell etwa 1 Million Menschen plus 1,5 Millionen Menschen nur in der Türkei. Unter den Marken, die in der Region hergestellt werden, befinden sich A wie adidas & Aldi bis Z wie Zara.