Wir danken der SPD Fraktion für die Aufforderung zur Abgabe einer Stellungnahme zu einem Lieferkettengesetz.
Als Kampagne für Saubere Kleidung Deutschland (Clean Clothes Campaign Germany, kurz: CCC Deutschland) sind wir Teil einer internationalen Nicht-Regierungsorganisation mit zahlreichen Partner*innen in Produktionsländern. Gemeinsam setzen wir uns seit mehr als 20 Jahren für Menschenrechte in der globalisierten Textilproduktion ein. Mitglieder in der Kampagne für Saubere
Kleidung in Schleswig-Holstein sind das Frauenwerk der Nordkirche und die Aktivgruppe Kiel der Kampagne für Saubere Kleidung.
Vor dem Hintergrund unserer langjährigen Erfahrung in der Arbeit mit Textilunternehmen ist bewiesen, dass das Konzept der freiwilligen Übernahme von Verantwortung für Mensch und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht funktioniert. Deshalb braucht es ein Lieferkettengesetz!
Argumente in Bezug auf den Nationalen Aktionsplan (NAP) wollen wir hier nicht wiederholen, da sie von der Initiative Lieferkettengesetz und dem Bündnis für ein Lieferkettengesetz in SchleswigHolstein bereits eingebracht wurden. Wir teilen die Argumente in deren Stellungnahmen.
Freiwilligkeit gescheitert
Wir als Kampagne für Saubere Kleidung blicken auf eine lange Kette von Skandalen der Verletzung von Menschenrechten wie die Missachtung der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Kinderarbeit, Diskriminierung, Zwangsarbeit und Hungerlöhne. Dazu gehört auch die Verletzung des Rechts auf körperliche Unversehrtheit, durch mangelnden Arbeits-, Brandschutz sowie fehlende Gebäudesicherheit, wie der Einsturz des Rana Plaza Gebäudekomplexes in Savar, Bangladesch mit über 1.000 Toten im April 2013 uns allen gezeigt hat. Auch die Naturzerstörung durch Chemikalien, sei es beim Baumwollanbau, bei der Weiterverarbeitung in Nassprozessen oder der Herstellung von Kunstfasern, ist in den letzten Jahrzehnten immer wieder von Mitgliedsorganisationen der Kampagne für Saubere Kleidung und anderen Nichtregierungsorganisationen recherchiert , dokumentiert und angeprangert worden.
Die Auftrag gebende Bekleidungsbranche hat mit freiwilligen Selbstverpflichtungen reagiert. Einerseits wurden Unternehmensinitiativen gegründet, andererseits gibt es Multi-StakeholderInitiativen oder es wurden unternehmens- oder produktbezogene Siegel und Label geschaffen. Damit wurde – der marktwirtschaftlichen Logik folgend – Verbraucher*innen beim Einkauf die Verantwortung zugeschoben. Wegweiser in diesem verzweigten Labyrinth freiwilliger Unternehmensverantwortung sollen wiederum zahlreiche unterschiedliche Label und Siegel sein, die Käufer*innen helfen sollen, die sozialen und ökologischen Bedingungen der gesamten Produktionstiefe vom Baumwollfeld über Spinnerei, Weberei, Färberei, Ausrüstung der Faser, Konfektion bis hin zum Transport zu beurteilen, aber aufgrund ihrer Vielzahl und Diversität kaum zu einem klareren Bild für die Verbraucher*innen beitragen können. Gleichwohl mangelt es an Transparenz seitens der Unternehmen, die, einer marktwirtschaftlichen Logik folgend, für die Entscheidungsfindung die wesentliche Voraussetzung der Kaufentscheidung sein müsste.
Zur Überprüfung der Arbeits- und Produktionsbedingungen führen Unternehmen Audits in den Produktionsländern durch. Das Instrument der Audits hat sich nach unserer Erfahrung jedoch als unzureichend erwiesen. Selbst Leitfäden internationaler Organisationen wie der OECD halten inzwischen fest, dass Audits die Verletzungen der Vereinigungsfreiheit und dem Recht auf
Kollektivvereinbarungen, Zwangsarbeit, geschlechtsspezifische Gewalt am Arbeitsplatz oder andere Verletzungen international anerkannter Arbeitsrechte nicht feststellen können. Trotzdem haben sich Audits zum profitablen Geschäftsmodell entwickelt, wie die 2019 erschienene Studie „Fig Leaf for Fashion. How social auditing protects brands and fails workers” ausführlich zeigt. (Siehe hierzu in deutscher Übersetzung das Factsheet Sozialaudits der CCC Deutschland).
Freiwilliges Textilbündnis – mangelnde Wirksamkeit
Durch die bisherigen auf freiwilliger Basis stehenden Selbstverpflichtungen hat sich für das Gros der globalen Textilarbeiter*innen nichts Wesentliches zum Besseren geändert. Das Textilbündnis, das 2015 von Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller mit dem Ziel initiiert wurde, die sozialen und ökologischen Bedingungen der textilen Lieferketten in den Produktionsländern nachweislich zu verbessern, hat nur ernüchternde Ergebnisse vorzuweisen. In dem Bündnis sind nur knapp 46 Prozent der deutschen Bekleidungsbrache vertreten. Die Zielsetzungen der dort beteiligten Unternehmen haben aus Sicht der Kampagne für Saubere Kleidung ein nur geringes Anspruchsniveau. Arbeiter*innen aus den Produktionsländern haben keine direkte Stimme im Bündnis. Es fehlt an einem robusten Mechanismus zum Umgang mit Beschwerden, mit dem
Betroffene echte Wiedergutmachung von Unternehmen einfordern können. Zudem fehlt es an der notwendigen Transparenz der Lieferkette. Der Mehrwert des Textilbündnisses scheint für Unternehmen in seiner Funktion als Lernplattform zu liegen, aber nicht darin, wie oft postuliert, gemeinsam als Kollektiv mehr zu erreichen. Nur wenige Mitgliedsunternehmen beteiligen sich an Bündnis-Initiativen, die konkrete Umsetzungsschritte zur Erreichung der Bündnisziele anstreben Das Textilbündnis bestätigt die generellen Kritikpunkte gegenüber Multi-Stakeholder-Initiativen, die in der umfassenden Studie MSI Integrity, Not Fit For Purpose zusammengefasst sind.
Wir stellen fest, dass die Bekleidungshändler aus Schleswig-Holstein, wie Miles GmbH (Li & Fung) sich nicht im Textilbündnis einbringen.
Staatliches Siegel „Grüner Knopf“ – Defizite
Der große schleswig-holsteinische Textilgroßhandler Miles GmbH (Li & Fung) folgt stattdessen dem Grünen Knopf, dem staatlichen Siegel. Auch dieses Siegel steht in starker Kritik, da es mit den bereits erwähnten nicht effektiven Audits arbeitet, nicht die gesamte Lieferkette umfasst und Textilien von Überprüfungen sozialer Kriterien ausnimmt, die in Osteuropa hergestellt wurden, obwohl dort die Kampagne für Saubere Kleidung gravierende Verstöße gegen Arbeitsrechte verzeichnen muss.
Der Versuch des BMZ, ein einheitliches staatliches Siegel (Grüner Knopf) zu schaffen, wird zurzeit ausgewertet. Eine demnächst erscheinende Studie wird zeigen, dass das Siegel bei weitem hinter seinen Ansprüchen bleibt.
Das Wettbewerbsargument
Dem häufig genannten Argument, dass ein Lieferkettengesetz der deutschen Wettbewerbsfähigkeit schade, halten wir entgegen, dass sich deutsche Unternehmen weltweit Anerkennung und Respekt verschaffen könnten, indem sie sich zu Vorreitern in verantwortungsvollem Handeln entwickeln. Durch ein Lieferkettengesetz wären dafür gleiche Wettbewerbsbedingungen (Level Playing Field) geschaffen. Der Staat muss endlich einen Rahmen schaffen, in dem Unternehmen, die höhere Kosten haben, weil sie nachhaltiger und fairer als andere wirtschaften, nicht weiter benachteiligt werden gegenüber denen, die ihr Handeln an kurzfristigen menschenrechts- und Natur schädigenden
Profitzielen ausrichten.
Geschlechtergerechtigkeit in der Lieferkette
Im Textilsektor arbeiten ca. 60 Millionen Menschen, ca. 80 Prozent von ihnen sind Frauen und Mädchen, die in hohem Maß von ausbeuterischen Bedingungen betroffen sind. Sie erwirtschaften den Großteil der Exporterlöse ganzer Volkswirtschaften. So sind dem Bekleidungssektor in Bangladesch 80 Prozent der Exportleistung des Landes zuzurechnen. Frauen und Mädchen sind
besonders stark von sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt am Arbeitsplatz betroffen. Deshalb unterstützen wir auch die Forderungen des Positionspapiers von zwölf Nichtregierungsorgansiationen „Geschlechtergerechtigkeit in globalen Lieferketten“, die deutlich machen, dass Risikoanalysen und Maßnahmen für die gesamte Lieferkette geschlechterbezogen
formuliert werden müssen.
Kontakt
Isabell Ulrich
Koordination der Kampagne für SaubereKleidung
koordination@saubere-kleidung.de
Telefon: 01511-64 739 42
Waltraud Waidelich
Frauenwerk der Nordkirche und CCC Aktivgruppe Kiel
Telefon: 0151 11179 163