Eine Gruppe von Menschen blickt ernst. Im Vordergund sind vier Personen zu sehen. Sie tragen ein Mikrophon und einen Lautsprecher.

Solidaritätserklärung zur Krise im Bekleidungssektor Sri Lankas

Textilarbeiter*innen in Sri Lanka protestieren gegen die überstürzte Überarbeitung des Arbeitsrechts, bei der das dreigliedrige Verfahren – also Konsultationen zwischen Gewerkschaften, Regierung und Arbeitgeber*innen – nicht eingehalten wird, sowie gegen Maßnahmen zur Schuldenregulierung, die ihre Renten gefährden würden.

In einer öffentlichen Erklärung forderten mehrere Organisationen des Netzwerks der Clean Clothes Campaign (Kampagne für Saubere Kleidung) die Regierung und alle Beteiligten auf, die dreigliedrigen Verfahren zu respektieren und die Arbeitnehmer*innen zu konsultieren, bevor sie weitere Schritte unternehmen.

Erklärung zur Krise der Textilarbeiter*innen in Sri Lanka

Die Beschäftigten in der Textilindustrie Sri Lankas sind die Hauptleidtragenden der finanziellen und politischen Krise, die das Land seit über eineinhalb Jahren heimsucht. Die hohe Inflation und die Abwertung der Währung treiben die Arbeiter*innen in die Armut, während die Regierung und die Arbeitgeber*innen das Recht auf gewerkschaftliche Organisierung unterdrücken. Da die Regierung zur Zeit Änderungen der Arbeitsgesetze und Maßnahmen zur Umschuldung von Staatsschulden durchpeitscht, die die Sozialversicherungsfonds der Arbeiter*innen ins Visier nehmen, werden den Textilarbeiter*innen in Sri Lanka noch weitere grundlegende Rechte und Schutzmaßnahmen gegen ein Leben in Armut vorenthalten.
Nationale und internationale Arbeitnehmerrechtsorganisationen appellieren an die Regierung Sri Lankas, den dreigliedrigen Prozess zu respektieren und davon abzusehen, die Sozialversicherungsfonds der Arbeitnehmer*innen im Rahmen von Umschuldungsmaßnahmen zu belasten.

Regierung umgeht demokratische Prozesse

Bei dem Versuch der Regierung, die bestehenden Arbeitsgesetze in ein einheitliches Arbeitsgesetzbuch umzuwandeln, wurden von Anfang an etablierte dreigliedrige Konsultationsmechanismen ignoriert und andere bestehende demokratische Prozesse umgangen. Die Gesetzesentwürfe wurden beispielsweise nicht in allen Amtssprachen des Landes zur Verfügung gestellt. Abgesehen von dem problematischen Prozess, der die Rechte von Gewerkschaften und Minderheiten missachtet, sind wir besorgt darüber, dass das vorgeschlagene einheitliche Arbeitsgesetz darauf abzielt, die Rechte und den Schutz von Arbeitnehmer*innen abzuschaffen, um sie besser ausbeuten zu können.
Die Arbeiter*innen wären ihren Arbeitgeber*innen ausgeliefert, ohne rechtlich dagegen vorgehen zu können. Die Regierung plant:

Die Abschaffung internationaler Mindeststandards wie

  • des Achtstundentags
  • des Anspruchs auf bezahlte Überstunden und
  • des Schutzes vor willkürlicher Entlassung

Arbeitgeber*innen sollen künftig Arbeitnehmer*innen zwingen können, vier Wochen am Stück ohne freie Tage zu arbeiten und den Jahresurlaubsanspruchs kürzen können. Gleichzeitig will die Regierung die Vereinigungsfreiheit und des Rechts auf Tarifverhandlungen schwächen.

Wir sind davon überzeugt, dass jede Überarbeitung der Arbeitsgesetze Sri Lankas einen gründlichen Konsultationsprozess erfordert, in dem die Stimmen der Arbeiter*innen und ihrer gewählten Gewerkschaftsvertreter*innen gehört werden. Dies könnte dadurch erreicht werden, dass die Regierung eine glaubwürdige unabhängige Kommission unter Beteiligung von Expert*innen wie der Internationalen Arbeitsorganisation einsetzt. Jeder Konsultationsprozess muss die vier Gewerkschaften einbeziehen, die unrechtmäßig aus dem Nationalen Arbeitsbeirat ausgeschlossen wurden.

Anton Marcus, Co-Sekretär der Free Trade Zones & General Service Employees Union in Sri Lanka, sagt: „Die Vorschläge der Regierung und das Verfahren zur Überarbeitung des Arbeitsrechts verstoßen gegen internationale Normen für menschenwürdige Arbeit und drohen einen Abwärtswettlauf bei den Arbeitsrechten zu entfesseln. Nur ein inklusiver, transparenter und demokratischer Prozess, an dem alle relevanten dreigliedrigen Interessengruppen beteiligt sind, kann zu Ergebnissen führen, die für die Arbeiter*innen akzeptabel sind und den internationalen Normen entsprechen.“

Sorgen um Soziale Sicherheit

Die Arbeiter*innen machen sich Sorgen um ihre Rechte und ihren Lebensunterhalt, nachdem die Regierung als Reaktion auf die anhaltende internationale Schuldenkrise eine Umstrukturierung ihrer Inlandsschulden angekündigt hat.

Diese Umstrukturierung zielt auf die Alterszulage oder auf Pensionsfonds ab. Die Arbeiter*innen zahlen ihr ganzes Arbeitslebens ein – trotz ihrer ohnehin schon mageren Löhne. Ihre mühsam aufgebauten Rentenfonds sollen nun ohne jegliche Konsultation umstrukturiert werden: Das bedeutet, dass sie an Wert verlieren werden. Damit aber schrumpft die mühsam angesparte Rente der Arbeiter*innen.

Darüber hinaus gilt diese Umstrukturierung nicht für andere Inhaber*innen von Staatsanleihen. Sollte die Regierung ihre Pläne nicht durchsetzen können, hat sie damit gedroht, die Fonds auf andere Weise an der Finanzierung zu beteiligen, zum Beispiel durch Steuererhöhungen von 14 % auf 30 %.

Es ist willkürlich und ungerecht, die Rentenkassen gezielt auszuwählen und damit die Arbeiter*innen Sri Lankas zu zwingen, die Rechnung für eine Schuldenkrise zu zahlen, für die sie nicht verantwortlich sind. Wir unterstützen die Position der großen Gewerkschaften, die den Gouverneur der Zentralbank aufgefordert haben, alle Prozesse zu stoppen und ein Gewerkschaftsforum einzuberufen.
Die Clean Clothes Campaign, die Free Trade Zone & General Services Employees Union, die International Union Educational League, Labour behind the Label, Maquila Solidarity Network und War on Want stehen solidarisch an der Seite der Textilarbeiter*innen in Sri Lanka – mehrheitlich Frauen und Wanderarbeiter*innen.

Die Arbeiter*innen gingen im Juli auf die Straße, um sich gegen die Angriffe der Regierung auf ihre grundlegenden Arbeitnehmer*innenrechte und ihre hart verdienten Sozialversicherungsbeiträge zu wehren. Wir fordern die Regierung Sri Lankas und alle beteiligten Akteur*innen (darunter Arbeitgeber*innenverbände, der IWF und die Zentralbank) auf

  • unverzüglich den laufenden Arbeitsreformprozess zu stoppen;
  • spezifische, transparente und konsensorientierte „Terms of Reference “ für den Reformprozess auszuarbeiten, unter Beteiligung von Vertreter*innen der Gewerkschaften, der Regierung und der Arbeitgeber*innen . aber auch internationalen Organisationen wie die ILO. Ziel muss ein Reformprozess sein, der sicherstellt, dass die lokalen Arbeitsgesetze mit internationalen Arbeitsstandards und den Menschenrechten in Einklang sind;
  • sicherzustellen, dass internationale Normen nicht verletzt werden und dass ein solcher Reformprozess in einem dreigliedrigen und demokratischen Verfahren unter Beteiligung der Gewerkschaften, des National Labour Advisory Council (NLAC) und anderer wichtiger Interessengruppen durchgeführt wird;
  • die vier Gewerkschaften, die im Juni 2023 unrechtmäßig aus dem Nationalen Arbeitsbeirat ausgeschlossen wurden, wieder aufzunehmen;
  • das Ziel einer Umschuldung der Pensionsfonds ohne angemessene Beteiligung der Arbeiter*innen und ihrer Vertreter aufzugeben;
  • sicherzustellen, dass die Arbeiter*innen keine ‚unverhältnismäßige‘ Last der Wirtschaftskrise zu tragen haben und dass ihre Rechte geachtet werden.

Mehr Fotos von den Protesten gibt es auf der Seite des Sri Lanka Mirrors.

Beitragsbild: Proteste am "Schwarzen Tag" im Juli 2023 in Sri Lanka als Reaktion auf das vorgeschlagene einheitliche Arbeitsgesetz und die "Umstrukturierung der Inlandsschulden", die die soziale Sicherheit der Arbeitnehmer beeinträchtigen. Die Proteste fanden am 19. und 20. Juli 2023 in Katunayake und Biyagama statt. ©CCC
Sri Lanka

Ähnliche Beiträge