Zuerst die gute Nachricht: Acht Jahre, nachdem die Farbik Jaba Garmindo Konkurs anmeldete, zahlte der deutsche Bekleidungskonzern s.Oliver 2.000 ehemaligen Textilarbeiter*innen in Indonesien 100.000 Euro aus. Das war 2023.
Und jetzt die schlechte: Insgesamt stehen den Arbeiter*innen 5,5 Millionen US-Dollar an Abfindungen zu. Seit Schließung der Fabrik Jaba Garmindo am 22. April 2015 kämpfen sie dafür. Bis heute.
Jaba Garmindo – darum geht’s
Die Fabrik Jaba Garmindo produzierte sowohl für s.Oliver als auch für die japanische Marke Uniqlo. Obwohl Uniqlo eine der wertvollsten Bekleidungsmarken der Welt ist, weigert sich die Muttergesellschaft Fast Retailing immer noch, die Schulden gegenüber ihren ehemaligen Arbeiter*innen zu begleichen.
Um die 5,5 Millionen US-Dollar in einen Kontext zu setzen: Im April 2023 hat Fast Retailing eine Marktkapitalisierung von 75,84 Milliarden Dollar und Uniqlo einen Markenwert von fast 10 Milliarden Dollar.
„Eine der reichsten Marken der Welt kehrt uns weiterhin den Rücken zu, obwohl sie ihre Gewinne auch den Produkten verdankt, die wir hergestellt haben. Uniqlo gibt vor, ein ethisches Unternehmen zu sein, aber sie wollen uns immer noch nicht bezahlen, was uns zusteht!“
Teddy Senadi Putra, Vertreter der Gewerkschaft PUK SPAI Federasi Serikat Pekerja Metal Indonesia (FSPMI), früher bei PT Jaba Garmindo
Gericht urteilt zugunsten der Arbeiter*innen
Für ihr Recht sind die ehemaligen Arbeiter*innen vor Gericht gezogen. Die Richter*innen in Indonesien gaben ihnen Recht – doch sie haben keine Befugnis, internationale Unternehmen wie Fast Retailing zur Zahlung zu zwingen.
Im Oktober 2019 reichten die Clean Clothes Campaign und die indonesische Gewerkschaft FSPMI eine Beschwerde bei der Fair Labor Association (FLA) ein, einer Multistakeholder-Initiative (MSI), in der zum damaligen Zeitpunkt sowohl Fast Retailing als auch s.Oliver Mitglied waren. Inzwischen hat s.Oliver die FLA verlassen und ist nun Mitglied der Fairwear Foundation.
Uniqlo ignoriert Empfehlung der Fair Labor Association
Im Juli 2021 wurden die Ergebnisse der FLA-Untersuchung veröffentlicht. Der Bericht empfahl, dass Fast Retailing und s.Oliver zusammen mit anderen Marken, die die Fabrik belieferte, in einen Hilfsfonds für die Arbeiter*innen einzahlen sollten. Obwohl Fast Retailing diese Empfehlungen vorsätzlich ignoriert hat, bleibt es aktives Mitglied der FLA.
Das Versäumnis der FLA, dafür zu sorgen, dass eine ihrer Mitgliedsmarken Maßnahmen im Einklang mit ihren eigenen Empfehlungen ergreift, verdeutlicht das Problem der MSI, wenn es um die Einhaltung ethischer Praktiken geht: Als freiwillige Initiativen haben sie keine Macht und sind nicht in der Lage, die Rechte der Arbeiter*innen angemessen zu schützen.
Kurzdoku: How to Steal Your Workers’ Future
Im April 2025 kämpfen die ehemaligen Jaba-Garmindo-Beschäftigten noch immer um ihr Recht. Ihr Kampf wirft ein Schlaglicht auf den Diebstahl von Abfindungen und die extremen Herausforderungen, mit denen Textilarbeiter*innen konfrontiert sind, wenn sie für Gerechtigkeit kämpfen. In vielen Produktionsländern, darunter auch Indonesien, reichen die nationalen Sozialsysteme derzeit nicht aus, um vorenthaltene Abfindungszahlungen angemessen abzudecken.
Armutslöhne sind in der Branche die Norm, was bedeutet, dass die Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie kaum die Möglichkeit haben, Geld auf die Seite zu legen. Gesetzlich vorgeschriebene Abfindungen schließen diese Lücke und dienen als lebenswichtiges Sicherheitsnetz bei Arbeitsplatzverlust. Abfindungszahlungen sind in den nationalen Gesetzen verankert – und dennoch werden weltweit Hunderttausende von Arbeiter*innen um ihre Abfindungen betrogen.
„Der Fall Jaba Garmindo verdeutlicht erneut den Mangel an Verantwortlichkeit in der Bekleidungsindustrie und die anhaltende Straflosigkeit der Unternehmen. Keine Marke sollte die Rechte ihrer Arbeiter*innen so ignorieren können, wie es Uniqlo tut. Und keine Arbeiterin sollte gezwungen sein, über zehn Jahr lang für Geld zu kämpfen, das ihr gesetzlich zusteht.“
Artemisa Ljarja, Koordinatorin Fallarbeit, Kampagne für Saubere Kleidung
Sich darauf zu verlassen, dass die Marken das Richtige tun, funktioniert nicht, wie der Fall Jaba Garmindo erneut zeigt.
Pay Your Workers-Vereinbarung
Deshalb fordern wir Rechtsvorschriften und rechtsverbindliche Vereinbarungen, um Marken für Verstöße in ihren Lieferketten zur Rechenschaft zu ziehen.
Die Kampagne für Saubere Kleidung fordert alle Marken auf, die verbindliche Vereinbarung Pay Your Workers zu unterzeichnen, um dem Lohn- und Abfindungsdiebstahl ein Ende zu setzen.
Die Vereinbarung „Pay Your Workers“ beinhaltet die Einrichtung eines globalen Abfindungsgarantiefonds, der sicherstellt, dass Textilarbeiter*innen in Zukunft nicht mehr gezwungen sein werden, für das ihnen geschuldete Geld zu kämpfen. Die indonesischen Gewerkschaften, die an der Pay Your Workers-Kampagne beteiligt sind, haben s.Oliver aufgefordert, mit ihnen in direkte Verhandlungen zu treten, aber leider hat s.Oliver sich geweigert, dies zu tun.