PT Kizone: Hintergrund Informationen

Seit mittlerweile mehr als einem Jahr kämpfen ehemals in der indonesischen Sportkleidung Fabrik PT Kizone angestellte Arbeiter*innen für Abfindungen und Lohnnachzahlungen, welche ihnen durch die Schließung der Fabrik und die Flucht des Eigentümers zustehen. Die Probleme in der Fabrik begannen im September 2010. Damals wurden Abfindungen von Arbeiter*innen, welche die Fabrik freiwillig verlassen hatten sowie Sterbegelder, die den Familien verstorbener Arbeiter*innen zustanden, nicht gezahlt. Im Januar 2011 verschärfte sich die Situation, als die Dezemberlöhne einbehalten wurden. Anschließend verschwand der Eigentümer der Fabrik überraschend.

Als Haupteinkäufer der Fabrik übernahm die Agentur Green Textile im Februar und März die Kontrolle und die Arbeiter*innen setzten die Arbeit fort, und erhielten ihre ausstehenden und aktuellen Löhne. Im April 2011 wurde die Fabrik endgültig geschlossen und PT Kizone ging in die Insolvenz.

Seitdem kämpfen die Arbeiter*innen dafür, die ihnen geschuldeten Abfindungen von insgesamt 3,4 Millionen US$ zu bekommen. Andere Käufer der Fabrik haben mittlerweile insgesamt 1,6 Millionen US$ für einen Abfindungsfonds beigetragen. Dies ist zwar begrüßenswert, der Betrag ist jedoch völlig unzureichend um die Ansprüche der ArbeiterInnen zu erfüllen. Adidas hat sich bisher geweigert, auch nur einen Cent zu diesem Fonds beizutragen.

Adidas und PT Kizone Arbeiter*innen

Im Dezember 2011 berichtete die Playfair 2012-Kampagne, in der die Clean Clothes Campaign Mitglied ist, über die fortdauernden Auseinandersetzungen bei PT Kizone: hier nachzulesen.

Im Dezember 2011 und erneut im Januar 2012 antwortete Adidas mit Erklärungen auf diesen Artikel. In diesen Erklärungen widerholt Adidas die Fakten des Falles (welche weitgehend unumstritten sind) und legt dar, warum es sich für die Arbeiter*innen, die vor Schließung der Fabrik jahrelang für Adidas produziert haben, nicht in der Verantwortung sieht.

1. Adidas hat zum Zeitpunkt der Schließung der Fabrik nicht dort produzieren lassen:

Als Erstes behauptet Adidas keine Verantwortung für die Arbeiter*innen übernehmen zu können, da es der Fabrik im Juni 2010 mitteilte, keine Aufträge an die Fabrik mehr zu vergeben und somit zum Zeitpunkt der Schließung keine Geschäftsbeziehungen mehr zu PT Kizone unterhielt. In ihrer Erklärung gegenüber Playfair 2012 vom 2. Februar 2012 gibt Adidas an, dass die „Fabrik PT Kizone illegal geschlossen und von ihrem Besitzer, und nicht von der adidas Gruppe, verlassen wurde; und dies geschah mehr als sechs Monate nach der letzten Erteilung eines Auftrages…“. In einer früheren Erklärung vom 13. Dezember 2011 hat Adidas dagegen zugegeben, dass PT Kizone Arbeiter*innen bis Ende November 2011 in die Adidas-Produktion eingebunden waren. Darüber hinaus hat Adidas PT Kizone bis Januar 2011 weiterhin zu seinen Zulieferern gezählt, sowohl in seiner Auflistung für die Datenbank der Produktionsstätten für Lizenzkleidung von US-Universitäten des Worker Rights Consortiums (WRC) als auch auf seiner eigenen, öffentlich zugänglichen Zuliefererliste.

Bereits am 3. September 2010 begannen die Arbeitsrechtsverletzungen jedoch schon damit, dass vorgeschriebene Abfindungszahlungen an Arbeiter*innen, die nicht weiter beschäftigt waren, nicht ausgezahlt wurden. Zwischen dem 3. September 2010 und dem 1. November 2010 verließen 32 Arbeiter*innen die Fabrik freiwillig, bekamen jedoch nicht die nach Gesetz und Tarifvertrag vorgeschriebenen Ausgleichszahlungen. Die Fabrik hat darüber hinaus mehreren Familien von in diesem Zeitraum verstorbenen ArbeiterInnen kein Sterbegeld gezahlt.

Adidas ist für die Behebung von Verletzungen seines Verhaltenskodexes in all seinen Produktionsstätten verantwortlich, unabhängig davon, wie lange der Produktionszeitraum in der jeweiligen Fabrik ist. Klar ist, dass die Arbeitsrechtsverletzungen begannen, während Produktion für Adidas stattfand, und nicht erst im April 2011 einsetzten, als die Fabrik schließlich geschlossen wurde. Darüber erwerben die Beschäftigten ein Anrecht auf Abfindungszahlungen über den gesamten Zeitraum ihrer Beschäftigung, sodass die den Arbeiter*innen geschuldeten Abfindungen auch während ihrer langjährigen Produktion für Adidas aufgelaufen sind.

2. Adidas kann keine Verantwortung für Gesetzesbruch durch seine Zulieferer übernehmen

Als Zweites erklärt Adidas, dass es keine Haftung für die Auswirkungen von Schließungen von oder Entlassungen in Fabriken, die nicht Adidas gehören, annehmen oder akzeptieren kann. In seiner Antwort an Playfair vom Dezember 2011 heißt es, „die Durchsetzung des Rechts ist für nachhaltiges Wirtschaften von grundlegender Bedeutung und wir können nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn jemand anderes das Gesetz bricht.“

Nach den Universitätskodizes, an die Adidas durch Verträge mit US-Universitäten über die Herstellung von Lizenzprodukten gebunden ist, ist jedoch klar, dass der Lizenzinhaber in Produktionsstätten von Vertragspartnern die gleiche Verantwortung für die Einhaltung der Kodizes trägt, wie in eigenen Anlagen. Die von Adidas selbst festgelegten Arbeitsplatzstandards, sehen vor, dass „die Löhne dem von der Regierung vorgeschriebenen Mindestlohn oder dem jeweiligen Branchenlohn, je nachdem welcher der jeweils höhere ist, entsprechen oder diesen übersteigen müssen und dass alle gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen zahlen müssen,“ und dass Zulieferer „allen gesetzlichen Anforderungen“ entsprechen müssen.

Darüber hinaus sind Unternehmen wie Adidas nach den UN-Leitlinien zu Menschenrechten und Unternehmen verpflichtet, durch eine Sorgfaltspflichtprüfung solcherart Arbeitsrechtsverletzungen bereits im Ansatz vorzubeugen. Das bedeutet, dass Adidas die Verantwortung dafür trägt, dass die Rechte der Arbeiter*innen von all seinen Zulieferern geachtet werden. Adidas selbst scheint bereit, diese Verantwortung für bestimmte Arten von Rechtsverletzungen zu übernehmen. Wenn es jedoch um Geldleistungen an Arbeiter*innen geht, weigert sich adidas weiterhin. Ein Unternehmen kann sich nicht einfach zwischen denjenigen Teilen eines Kodexes oder rechtlicher Regulierungen entscheiden, die es zu befolgen bereit ist anderen, die es nicht anwenden will.

Wenn Adidas sich entschließt, Aufträge aus einer Fabrik zurückzuziehen, aus der es lange Produkte bezogen hat, sollte es eine Sorgfaltspflichtprüfung bezüglich der Auswirkungen, die dieser Rückzug auf die Fabrik und die Arbeiter*innen zeitigt, durchführen. Hätte eine solche Prüfung stattgefunden, hätte Adidas eine Frühwarnung stattgefunden, dass die es Probleme in der Fabrik gibt und hätte Schritte zur Verhinderung der Arbeitsrechtsverletzungen einleiten können. In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der WRC vom November 2011 hat Adidas behauptet, dass „während die Geschäftsbeziehungen bestanden, haben wir das Werk PT Kizone kontrolliert um sicherzustellen, dass die erforderlichen Standards und Vorgehensweisen eingehalten werden…“. Da Adidas jedoch die im Herbst 2010, als noch ihre Waren für Adidas bei PT Kizone hergestellt wurden, begangenen Verstöße nicht ahndete und auch zu keinem Zeitpunkt Maßnahmen gegen die sich offensichtlich verschlechternde finanzielle Situation der Fabrik unternahm, müssen wir schlussfolgern, dass adidas seiner Pflicht zur Kontrolle der Einhaltung gesetzlicher und kodifizierter Standards nicht nachgekommen ist und deswegen auch nicht, wie von Adidas behauptet, „dauerhaft dafür gesorgt haben, dass genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, um allen Verpflichtungen gegenüber den Beschäftigten im Falle eines Stellenabbaus oder einer Schließung nachzukommen.“ Das Versäumnis von Adidas, im Rahmen der Produktion für das Unternehmen stattgefundene Verstöße aufzugreifen und zu beheben, macht die Zahlung von Entschädigungen an die betroffenen ArbeiterInnen, umso erforderlicher.

3. Adidas ergreift andere Maßnahmen um die PT Kizone Arbeiter*innen zu unterstützen

In der gesamten Kommunikation in Bezug auf den Fall PT Kizone war Adidas bemüht zu betonen, dass es Verständnis für die Notlage der betroffenen Arbeiter*innen hat. Das Unternehmen hat seine Maßnahmen dargestellt, die es zur Linderung der Notlage ergriffen hat. Diese beinhalten:

  • die Anfrage an andere adidas-Zulieferer in der Region, ehemalige PT Kizone Arbeiter*innen bei der Nachbesetzung frei werdender Stellen zu berücksichtigen;
  • Finanzierung und Auftragsvergabe an eine Arbeitsagentur, die Arbeiter*innen bei ihrer Stellensuche unterstützen soll;
  • die Führung von Gesprächen mit der Regierung, über zukünftige Maßnahmen gegen illegale Werksschließungen und daraus folgende Entschädigungen.

Adidas behauptet, dass diese Maßnahmen trotz der Tatsache ergriffen wurden, dass das Unternehmen für die Not der Arbeiter*innen keine Verantwortung trägt. Vielmehr seien diese Maßnahmen ergriffen worden, weil Adidas sich um die Arbeiter*innen sorge und „es das Richtige sei.“ Adidas behauptet auch, dass mittlerweile 950 Arbeiter*innen wieder eingestellt worden seien, davon fast 300 bei anderen Adidas-Zulieferern.

Auch wenn es sich hierbei um weniger als die Hälfte der ehemaligen PT Kizone-Beschäftigten handelt, ist es natürlich zu begrüßen, dass 950 Arbeiter*innen neue Arbeit gefunden haben. Es muss jedoch betont werden, dass diese Zahl noch bestätigt werden muss und es keine Informationen darüber gibt, dass die Wiederanstellung der Arbeiter*innen ein direktes Ergebnis von Adidasʼ Anstrengungen ist. Ehemalige Arbeiter*innen von PT Kizone sagen stattdessen aus, dass die von Adidas angewandten Vermittlungsmaßnahmen, diejenigen Arbeiter*innen diskriminiert, die um ihre Abfindungen kämpfen. Diese Überzeugung wird durch die Tatsache gestützt, dass Adidas sich weigert, mit der Gewerkschaft DPC SPSI TSK Kontakt, die die ehemaligen PT Kizone ArbeiterInnen vertritt, aufzunehmen.

Die Gewerkschaft hebt auch eine Reihe anderer Probleme des Angebotes von Adidas hervor: viele der PT Kizone Arbeiter*innen sind älter, Beschäftigungsmöglichkeiten wurden jedoch vorwiegend jüngeren Arbeiter*innen angeboten; viele der angebotenen Jobs waren zu weit von den Wohnorten der Arbeiter*innen entfernt, als dass sie diese annehmen konnten; zudem hatten die Arbeiter*innen bei PT Kizone unbefristete Verträge, wohingegen die neuen Arbeitsangebote hauptsächlich Kurzzeitverträge vorsahen. Dies bedeutet faktisch eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen.

Selbst wenn wir den Behauptungen von Adidas in Bezug auf die Wiedereinstellung von Arbeiter*innen in neuen Fabriken vertrauen, löst dies doch nicht da zugrundeliegende Problem: allen Arbeiter*innen stehen erhebliche Abfindungszahlungen zu, die durch harte Arbeit erworben wurden, die sie jedoch nie erhalten werden.

Adidas muss jetzt handeln!

Die Fakten in diesem Fall sind klar: 2.800 Arbeiter*innen, die im Beschäftigungszeitraum vielfach nur 0,60 US-$ pro Stunde verdienten, wurden tausende Dollar Abfindungszahlungen vorenthalten. Diese Zahlungen stehen ihnen zu, weil sie unter anderem Waren produziert haben, die zu den im letzten Jahr um 18% gestiegenen Gewinnen von Adidas beitrugen. Diese Arbeiter*innen dürfen nicht gezwungen sein, die Kosten für das von Adidas, anderen Käufern, dem PT Kizone-Inhaber oder der indonesischen Regierung gezeigte Versagen Gesetze einzuhalten, zu zahlen. Wenn Adidas sich wirklich um die Not dieser Arbeiter*innen sorgt, muss es sicherstellen, dass dieses Geld zur Verfügung gestellt wird.

Studie zu PT Kizone von Workers Rights Consortium (Englisch)

Kontakte

Berndt Hinzmann
INKOTA-netzwerk
hinzmann@inkota.de
Tel.: 0160 94 69 87 70

Maik Pflaum
Christliche Initiative Romero
pflaum@ci-romero.de 
Tel.: 0911 214 2345

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