Verantwortung privater Großverbraucher bei der Beschaffung von Textilien.
Baumwolle ist die wichtigste Naturfaser für die Herstellung von Bettwäsche und Handtüchern (Flachwäsche). Eine Umfrage des SÜDWIND-Instituts unter zehn diakonischen Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen im Jahr 2019 zeigte, dass Handtücher zu 100 % und Bettwäsche mit einem Anteil von 50-100% aus Baumwolle gefertigt werden. Obwohl diese Umfrage nicht repräsentativ war, so deutet sie doch auf die große Bedeutung der Baumwolle für die Herstellung von Textilien – und speziell von Flachwäsche – hin. Da Großverbraucher wie Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen oder auch Hotels in großem Maßstab Bettwäsche und Handtücher kaufen oder leasen, ist für ihre Nachhaltigkeitsbemühungen also relevant, unter welchen Bedingungen die Baumwolle angebaut wurde, die in ihren Produkten steckt. Für sie beginnt die Nachhaltigkeit also sozusagen auf dem (Baumwoll-) Feld.
Dass die Baumwolle, aus der Textilien gemacht werden, nachhaltig angebaut wurde, ist zunächst Sache der Unternehmen, die diese Textilien anbieten: Es liegt in ihrer Verantwortung Textilien anzubieten, die die Umwelt nicht schädigen und bei deren Produktion keine Menschenrechte verletzt wurden. Aber auf aufgrund ihrer beträchtlichen Einkaufsmacht können die Kaufentscheidungen von Großverbrauchern Lenkungswirkung in Richtung der Stärkung nachhaltiger Angebote und Anbieter entfalten. Außerdem sollten Großverbraucher im Rahmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung ihren Beitrag zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele und der Pariser Klimaziele leisten. Und dazu gehört auch, auf Nachhaltigkeit bei der Beschaffung von Textilien zu achten. Denn die ökologischen und sozialen Auswirkungen konventioneller Textilien und konventionell angebauter Baumwolle sind in vielen Bereichen erheblich. Das verdeutlichen die folgenden Ausführungen. Für die ökologischen Auswirkungen werden im Folgenden exemplarisch die durch den Textilsektor bedingten Treibhausgas-Emissionen betrachtet, für die sozialen Auswirkungen zentrale Missstände, insbesondere Kinder- und Zwangsarbeit, im konventionellen Baumwollanbau dargestellt.
Treibhausgas-Emissionen und Textilsektor
Laut einer aktuellen McKinsey-Studie verantwortete der globale Textilsektor im Jahr 2018 2,1 Mrd. Tonnen Treibhausgase. Das entsprach den Emissionen von Frankreich, Großbritannien und Deutschland zusammen. Wenn keine zügige Umsteuerung erfolgt, werden die Emissionen jährlich um 2,7 % wachsen und im Jahr 2030 2,7 Mrd. Tonnen erreichen. Um aber zum Klimaziel der maximalen Erhöhung um 1,5 Grad Celsius beizutragen, muss der Textilsektor jährlich Treibhausgas-Emissionen in Höhe von ca. 1,1 Mrd. Tonnen einsparen.
Wie kann das am besten erfolgen? Ausgehend vom jeweiligen Beitrag der einzelnen Lebenszyklusstufen zu den Treibhausgas-Emissionen (s. Abb.), empfiehlt die Mc Kinsey-Studie, dass 60 % der Reduzierung im Bereich der Verarbeitung, sowie jeweils rund 20 % im Bereich der Anbieter / des Handels bzw. der Gebrauchsphase erfolgen sollen. Da im Bereich der Baumwollproduktion ein großer Teil der Treibhausgas-Emissionen durch die Nutzung synthetischer Pestizide bedingt ist, geht die Mc Kinsey-Studie davon aus, dass der ökologische Anbau von Baumwolle, in dem der Einsatz synthetischer Pestizide verboten ist, 50 % Emissionen im Vergleich zum konventionellen Anbau einspart. Nutzung ökologischer statt konventioneller Baumwolle – ein wichtiger Schritt zur Erreichung der Klimaziele!
Soziale Missstände im Baumwollanbau
Weltweit arbeiten viele Millionen Menschen häufig saisonal auf Baumwollfeldern. In der Regel ohne Arbeitsverträge oder Gesundheitsschutz, zu niedrigsten Löhnen bei überlangen Arbeitszeiten arbeiten sie in asiatischen und afrikanischen Baumwollregionen, um sich und ihre Familien zu ernähren. Der Baumwollanbau ist dabei besonders von Kinder- und Zwangsarbeit geprägt:
- Weltweit arbeiten 152 Mio. Kinder zwischen 5 – 17 Jahren in verschiedenen Sektoren. Die Landwirtschaft ist dabei mit weitem Abstand der größte Sektor, in dem Kinder arbeiten (71 %). Baumwolle gehört zu den Produkten mit dem häufigsten Vorkommen von Kinderarbeit.
- In Zwangsarbeit können Menschen geraten, wenn sie überschuldet sind, wenn sie ererbte Schulden abarbeiten müssen, wenn sie sich in Leibeigenschaft befinden – oder wenn sie zu einer ethnischen Minderheit gehören und in einem autoritären Staat leben, wie aktuell die Uiguren in der chinesischen Autonomen Region Xinjiang.
Kinder- und Zwangsarbeit gehören zu den massivsten Verstößen gegen Menschenrechte bei der Arbeit. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO – International Labour Organisation) hat dazu jeweils zwei sogenannte „Kernarbeitsnormen“ angenommen, die für alle Mitgliedsstaaten bindend sind, auch wenn sie diese Normen nicht einzeln ratifiziert haben. Dass Kinder- und Zwangsarbeit dennoch in der Baumwollproduktion vieler Länder Alltag sind, ist also ein klarer Verstoß gegen internationales Recht.
Um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung und ihren unternehmerischen Sorgfaltspflichten bei der Bekämpfung von Kinder- und Zwangsarbeit (und weiterer sozialer Missstände) gerecht zu werden, sollten Großverbraucher und Anbieter deshalb keine konventionelle Baumwolle in ihren Produkten mehr akzeptieren, sondern ausschließlich zertifizierte Baumwolle aus einem glaubwürdigen Nachhaltigkeitsstandards. Der anspruchsvollste Nachhaltigkeitsstandard im sozialen Bereich ist der Fairtrade-Standard.
Zwar wird immer wieder Kritik laut, dass die Nachhaltigkeitsstandards nicht halten, was sie versprechen, dass sie inhaltlich lückenhaft sind (nur ökologisch oder nur sozial), nur Teile der Produktion abdecken (nur Anbau, nur einzelne weitere Verarbeitungsstufen) oder dass Nachhaltigkeitszertifikate fälschlicherweise ausgestellt werden – doch festzuhalten bleibt auch: Solange existierendes Arbeitsrecht in den Anbauländern von Baumwolle schwach ist oder bestehende Rechte nicht ausreichend umgesetzt werden und zugleich Arbeitsinspektionen und juristische Verfolgung von Arbeitsrechtsverletzungen nicht funktionieren, sind Nachhaltigkeitsstandards für den Baumwollanbau ein wichtiges Instrument, um soziale und ökologische Verbesserungen zu erreichen.
Fazit und Ausblick
Der Beitrag des Textilsektors zu Treibhausgas-Emissionen und die prekären Bedingungen im konventionellen Baumwollanbau haben exemplarisch gezeigt, wie dringend eine nachhaltige Transformation des Textilsektors ist. Der forcierte Ausbau des ökologischen Baumwollanbaus in Kombination mit einem anspruchsvollen sozialen Nachhaltigkeitsstandard kann dazu einen deutlichen Beitrag leisten.
Hier sind viele Akteur*innen gefragt: Während zivilgesellschaftliche Kampagnen sich lange Zeit auf Konsument*innen und auf nachhaltige Beschaffung der öffentlichen Hand konzentriert haben, gerieten private Großverbraucher wie Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Hotels, Jugendherbergen etc. aus dem Blick. Ihre Marktmacht ist aber ein entscheidender Faktor, der Anbieter von Textilien für Großverbraucher dazu bringen oder davon abhalten kann, ihre Produkte unter Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards zu beschaffen. Und zugleich ist die Orientierung auf Nachhaltigkeit auch ein Argument für die eigenen Kund*innen, wie ein Bericht von booking.com über steigendes Interesse an nachhaltigem Reisen und nachhaltigen Unterkünften aus dem Jahr 2019 zeigt. Auf die Großverbraucher kommt es also an!
von Sabine Ferenschild
SÜDWIND will in den kommenden zwei Jahren im Rahmen eines von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) und der Ev. Kirche von Westfalen geförderten Projekts einen Beitrag zur Stärkung der Nachfrage nach ökologisch produzierten Textilien leisten. In loser Folge werden dazu hier Blogbeiträge erscheinen, die das Thema vertiefen und weiterverfolgen. Wenn Sie auf neu erschienene Blogbeiträge aufmerksam gemacht werden möchten, schreiben Sie bitte zur Aufnahme in den Netzwerk-Verteiler „Mehr Bio in die Baumwollwäsche“ an ferenschild [ät] suedwind-institut.de