Eine Frau mit kurzen Haaren und Brille steht vor großen Fotografien von Frauen.

„Zalando hat bei sozialer Nachhaltigkeit hohen Nachholbedarf“

Anlässlich der virtuellen Hauptversammlung des Online-Händlers Zalando am 24. Mai 2023 stellte Dr. Gisela Burckhardt, Zalando-Aktieninhaberin und Vorstandsvorsitzende von FEMNET e.V., kritische Fragen. Konkrete Antworten darauf blieben jedoch weitestgehend aus.

„Sie waren stets bemüht“ – so könnte eine Formulierung lauten, wollte man ein wohlwollendes Fazit der heutigen Hauptversammlung ziehen. Bei den Fragen einiger Aktieninhaber*innen machten sich die Vorstandsmitglieder zwar Notizen und gingen auch auf Nachfragen ein, jedoch gingen die Erklärungen selten über die schon oft gelesenen Standardantworten hinaus. Neben Gisela Burckhardt beteiligte sich auch der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre mit einer Wortmeldung zu Themen abseits der finanziellen Kennzahlen. Viele der Fragen deckten sich auch mit den Interessen von FEMNET, wie u. a. die Einhaltung der Lieferkettensorgfaltspflicht. Eine klare Stellungnahme zu Kritikpunkten oder Verbesserungsanstrengungen? Fehlanzeige! Was hingegen auffiel: Gerade bei der sozialen Nachhaltigkeit ist das Unternehmen schwach aufgestellt.

Keine Strategie für existenzsichernde Löhne

In ihren Fragen konzentrierte sich Gisela Burckhardt auf die Kernthemen soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit. „Zwar bekennt sich Zalando allgemein zu existenzsichernden Löhnen für Arbeiter*innen in den Herstellungsländern, verfügt aber über keinerlei Strategie wie das Unternehmen dort hinkommen will“, kritisiert die FEMNET-Vorstandsvorsitzende. „Dafür muss man wissen, wie hoch der Lohnanteil am FOB Preis ist.“ Hier musste Zalando auf der HV passen, das Unternehmen verfügt über diese Informationen nicht.

Die Reaktion der beiden CEOs und Gründer, Robert Gentz und David Schneider, auf die Fragen fiel dünn aus. Zalando unterstütze Multistakeholder-Initiativen wie ACT, man sei sich jedoch gewusst, dass dies nicht der einzige Weg dahin sei. Daher berate man sich mit Experten über verschiedene Benchmark-Methoden. Eine Entscheidung darüber sei noch 2023 geplant. Außerdem werde man beginnen, lohnbezogene Daten der Eigenmarkenlieferanten einzufordern.

Auch zum Thema Gender Pay Gap sowie Gewerkschaften und Betriebsräte bei Produzenten gab es nur Vages. Daten darüber stünden ihnen zur Zeit noch nicht zur Verfügung, man sei sich jedoch der Dringlichkeit bewusst und wolle in diesem Jahr damit beginnen – jedoch zunächst nur in Hochrisikoländern. „Hier gibt es noch sehr viel zu tun“, so Dr. Gisela Burckhardt.

Ein Beschwerdesystem, das kaum jemand kennt

Auch auf die Frage nach dem Beschwerdesystem konnten die Vorstandsmitglieder keine befriedigenden Antworten geben. Seit 2022 existiere ein solches System, doch sei im letzten Jahr keine einzige Beschwerde eingegangen. Man habe seinen Lieferanten aufgetragen, das System etwa durch Poster bekannt zu machen. Weitere Erklärungen, etwa über Verantwortlichkeiten vor Ort, oder wie man die Umsetzung überprüfe, gab es nicht. „Dass es keine Beschwerde gab, zeigt, dass das System gar nicht bei den Arbeiter*innen bekannt ist. Es wäre im Gegenteil positiv, wenn Beschwerden eingingen, denn das zeigt, dass die Arbeiter*innen in das Beschwerdesystem Vertrauen haben“, so die Einschätzung von Gisela Burckhardt. Zalando stehe hier unter Beobachtung, da der Mechanismus aufgrund der Auflagen des deutschen Lieferkettengesetzes, das ab Januar 2023 in Kraft ist, funktionieren muss, so die Vorstandsvorsitzende.

Eher Greenwashing statt wirklicher Nachhaltigkeit

Ähnlich schwammig ging es auch bei den Fragen zum Zalando Nachhaltigkeitsfilter oder dem Recyclinganteil von Kleidung zu Kleidung zu. Die meisten der insgesamt elf nachhaltigen Kriterien sind oberflächlich. So wird bei der Bezeichnung „100 Prozent ökologische Materialien“ beispielsweise von einem „eingeschränkten“ Einsatz von synthetischen Pestiziden, Düngemitteln und genetischen Veränderungen gesprochen – d.h., deren Einsatz ist nicht verboten. „Mit ihren schwammigen Formulierungen täuscht Zalando die Verbraucher*innen. Das ist eindeutiges Greenwashing“, so das Resümee von Gisela Burckhardt.

Auf die Frage nach dem Recycling gab der Zalando-Vorstand zu, dass derzeit noch kein Textil-zu-Textil-Anteil möglich sei, man stecke da noch in der Anfangsphase, arbeite jedoch stetig an einer Verbesserung. „Das ist eigentlich Verbraucher*innentäuschung“, kommentiert Gisela Burckhardt die Antwort. „Denn Verbraucher*innen denken bei dem Wort „recycelt“, dass es sich um das Recycling von Kleidung handelt. Stattdessen wird Plastik wie z.B. PET-Flaschen zu Kleidung recycelt“.

Vor allem Schönfärberei

Ein Fazit der Hauptversammlung, das leider wenig überrascht: „Zalando hat bei sozialer Nachhaltigkeit hohen Nachholbedarf, da sind andere Unternehmen schon weiter“, so Gisela Burckhardt. „Wenn Zalando von Nachhaltigkeit spricht, meint das Unternehmen vor allem eine Verbesserung seiner Umweltbilanz. Auch hier aber wird viel Schönfärberei betrieben und Verbraucher*innen werden getäuscht, der Nachhaltigkeitsfilter taugt nichts.“

 

Beitragsbild: ©SUE 2022
Existenzlohn, Existenzsichernde Löhne, Lieferkettengesetz, Zalando

Ähnliche Beiträge