Menschen stehen in einer Gruppe zusammen und halten Plakate hoch.

Angriff auf Gewerkschaft in Sri Lanka: Arbeiter*innen der Lanka Leather Fashion kämpfen für ihr Recht auf gewerkschaftliche Organisierung

Seit mehr als drei Jahren kämpfen die Beschäftigten von Lanka Leather Fashion in Sri Lanka dafür, dass die Betriebsleitung ihre Gewerkschaft anerkennt. Das 1982 gegründete Unternehmen ist eines der ältesten in der Freihandelszone Katunayake und befindet sich in deutschem Besitz. Die Geschäftsführung ist stolz darauf, einer der größten asiatischen Hersteller der berühmten deutschen Trachtenlederhosen zu sein. Als Fachbetrieb für hochwertige Lederbekleidung zählt das Unternehmen Hugo Boss zu seinen namhaften Kunden.

Im Dezember 2020 forderten die Beschäftigten von der Unternehmensleitung ein kostenloses Essen, wie es in der Richtlinie des Präsidenten von Sri Lanka für Arbeitnehmer*innenrechte vorgesehen ist. Bis heute hält sich das Unternehmen nicht an diese Bestimmung. Obwohl es seit langem hier tätig ist, gibt es aus Sicht der Arbeitnehmer*innen keine geeigneten Mechanismen, auftretende Probleme angemessen zu lösen. Deshalb organisierten sich die Beschäftigten und schlossen sich der Gewerkschaft Free Trade Zone & General Services Employees‘ Union (FTZ&GSEU) an.

Ab diesem Zeitpunkt wandte die Geschäftsleitung eindeutig gewerkschaftsfeindliche Praktiken an: Der deutsche Eigentümer ignorierte alle Anträge der Branchengewerkschaft auf Anerkennung und seine Geschäftsleitung bot nicht einmal die Möglichkeit zur Diskussion an. Im Gegenteil: Um die Gründung einer Gewerkschaft auf Betriebsebene zu verhindern, setzte sie kurzerhand selbst einen Betriebsrat ein. Darüber hinaus zwang man im März 2021 den Organisator der Gewerkschaft, seinen Rücktritt einzureichen, und auch der Schatzmeister der Gewerkschaft wurde entlassen, ohne Vorankündigung oder Disziplinarverfahren, wie es im nationalen Recht eigentlich vorgeschrieben ist.  Schließlich wurden der neu gewählte Gewerkschaftsvorsitzende und zwei weitere Gewerkschaftsmitglieder im September letzten Jahres unter Vorwänden suspendiert.

FTZ&GSEU hat bisher mehrere Maßnahmen ergriffen, um diesem gewerkschaftsfeindlichen Verhalten von Lanka Leather Fashion entgegenzuwirken. Zusammen mit der Kampagne für Saubere Kleidung e.V. (CCC-DE) hat FTZ&GSEU eine Beschwerde beim Bündnis für nachhaltige Textilien gegen Hugo Boss eingereicht. Als international erfolgreiche Marke muss Hugo Boss sicherstellen, dass seine Zulieferer die ILO-Kernarbeitsrechte einhalten, wie z.B. die Vereinigungsfreiheit und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Tarifverhandlungen (ILO-Konventionen 87 und 98). Die Arbeitnehmer*innen haben deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie von ihrer Stammgewerkschaft gegenüber der Unternehmensleitung vertreten werden wollen. Die tatsächliche Anerkennung dieses Rechts besteht in der Anerkennung der Muttergewerkschaft als offizielle Vertretung der Arbeitnehmer*innen. Ihr Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren, wurde auch von den lokalen Behörden Sri Lankas, dem Arbeitsministerium, anerkannt.

Lanka Leather Fashion muss Sorge dafür tragen, dass die Arbeitnehmer*innenrechte in ihrer Fabrik umgesetzt werden! Die Kampagne für Saubere Kleidung fordert gemeinsam mit der FTZ&GSEU, dass Lanka Leather Fashion die Branchengewerkschaft anerkennt und den Verhandlungsprozess mit ihr beginnt. Gleichzeitig sollte die Geschäftsleitung von gewerkschaftsfeindlichen Aktivitäten absehen und die Anklagen gegen die neu gewählten Gewerkschaftsfunktionäre fallen lassen.

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Ein Land in der Krise

Die Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie Sri Lankas sind die Hauptleidtragenden der seit über anderthalb Jahren andauernden finanziellen und politischen Krise in diesem Land. Die hohe Inflation und die Währungsabwertung treiben die Beschäftigten in die Armut, während die Regierung und die Unternehmen deren Recht auf gewerkschaftliche Organisierung ignorieren. Da die Regierung zur Zeit Änderungen der Arbeitsgesetze und Maßnahmen  zur Umschuldung von Staatsschulden durchpeitscht und dabei auch die Sozialversicherungsfonds der Arbeiter*innen ins Visier nimmt, werden den Textilarbeiter*innen in Sri Lanka weitere grundlegende Rechte sowie Schutzmaßnahmen gegen ein Leben in Armut vorenthalten.

Durch die Abschaffung internationaler Mindeststandards (Achtstundentag, Anspruch auf bezahlte Überstunden, Schutz vor willkürlichen Entlassungen), durch die Erlaubnis für Unternehmen, Arbeitnehmer*innen zu zwingen, vier Wochen am Stück ohne freie Tage zu arbeiten, durch die Kürzung des Jahresurlaubsanspruchs und durch die Schwächung der Vereinigungsfreiheit und des Rechts auf Tarifverhandlungen werden die Arbeitnehmer*innen mit dieser Gesetzgebung zunehmend der Gnade ihrer Arbeitgebenden ausgeliefert sein, ohne dass sie irgendwelche Rechtsmittel einlegen können.

Wir sind der Ansicht, dass jede Überarbeitung der Arbeitsgesetze Sri Lankas einen gründlichen Konsultationsprozess erfordert, bei dem die Stimmen der Arbeitnehmer*innen und ihrer gewählten Gewerkschaftsvertreter*innen gehört werden müssen. Jeder Konsultationsprozess muss die vier Gewerkschaften einbeziehen, die im Juni 2023 unrechtmäßig aus dem Nationalen Arbeitsbeirat entfernt wurden.

Anton Marcus, Co-Sekretär der Free Trade Zones & General Service Employees Union in Sri Lanka, erklärt: „Die Vorschläge der Regierung und das Verfahren zur Überarbeitung des Arbeitsrechts verstoßen gegen internationale Normen für menschenwürdige Arbeit und drohen einen Abwärtswettlauf bei den Arbeitnehmer*innenrechten auszulösen. Nur ein inklusiver, transparenter und demokratischer Prozess, an dem alle relevanten dreigliedrigen Interessengruppen beteiligt sind, kann zu Ergebnissen führen, die für die Beschäftigten akzeptabel sind und den internationalen Normen entsprechen.“

Während die Arbeitnehmer*innen und ihre Vertretung bestraft werden, versucht man mit Zugeständnissen aller Art ausländische Investoren bei der Stange zu halten. Wie der Geschäftsführer von Lanka Leather Fashion erklärt: „Trotz der Preiserhöhungen in der gesamten Logistikbranche während der Pandemie, die eine weltweite Krise war, und der jüngsten Wirtschaftskrise in Sri Lanka, arbeiten die Hersteller ungehindert weiter.“¹

Nachdem die Regierung als Reaktion auf die anhaltende internationale Schuldenkrise eine Umstrukturierung der Inlandsschulden angekündigt hat, machen sich die Arbeitnehmer*innen zugleich Sorgen um ihre Rechte und um ihren Lebensunterhalt. Die Umstrukturierung zielt auf Superannuations- oder Pensionsfonds ab, von denen der größte, der Employees Provident Fund (EPF), 2,5 Millionen Arbeitnehmer*innen vertritt. Mit Einzahlung in diesen Fonds müssen sie während ihres gesamten Arbeitslebens Abzüge von ihrem ohnehin schon mageren Lohn verkraften. Ihre mühsam aufgebauten Rentenfonds werden nun ohne jegliche Konsultation angegriffen. Außerdem gilt diese Umstrukturierung nicht für die anderen Inhaber*innen von Staatsanleihen. Falls die Sozialversicherungsfonds der Arbeitnehmer*innen nicht einbezogen werden, hat die Regierung damit gedroht, dass diese Fonds den Preis auf andere Weise zahlen werden, beispielsweise durch eine Steuererhöhung von 14 auf 30 %. Es ist willkürlich und ungerecht, die Rentenkassen herauszugreifen und damit die Arbeitnehmer*innen Sri Lankas zu zwingen, die Rechnung für eine Schuldenkrise zu zahlen, für die sie nicht verantwortlich sind! Wir unterstützen die Position der großen Gewerkschaften, die den Gouverneur der Zentralbank aufgefordert haben, alle diesbezüglichen Entscheidungen zu stoppen und ein Gewerkschaftsforum einzuberufen, um diese Angelegenheit zu diskutieren.

¹https://island.lk/lanka-leather-fashion-optimistic-confident-in-sri-lanka-despite-domestic-turmoil/

 

Hintergrundinformationen:

Report „Unpicked Fashion and FOA“ vom Business and Human Rights Ressource Center

Solidaritätserklärung zur Krise in Sri Lanka auf www.saubere-kleidung.de

Sri Lanka Themenseite auf www.saubere-kleidung.de

Beitragsbilder: © Clean Clothes Campaign
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