In einer Straße drängen sich viele Menschen.

Levi’s: Versprechen einhalten, Taten folgen lassen!

Der Levi’s Lieferant Özak Tekstil in Şanlıurfa, Türkei, verletzt seit Ende 2023 systematisch die gewerkschaftlichen Rechte seiner Beschäftigten. Obwohl Levi Strauss darüber von Anfang an informiert wurde und Abhilfe versprach, hat die Modemarke dieses Versprechen bis heute nicht eingelöst. Wie sich in einer kürzlich veröffentlichten Studie des Worker Rights Consortium zeigte, wurde weiterhin mit Gewalt und Verhaftungen (teilweise unterstützt von lokalen Ordnungskräften und einer gelben Gewerkschaft), gegen Arbeiterinnen und Arbeiter vorgegangen, die sich in der unabhängigen Gewerkschaft BİRTEK-SEN organisiert hatten.

Die Kampagne für Saubere Kleidung unterstützt die Gewerkschaft BİRTEK-SEN in ihrer Forderung an Levi’s und das Özak/Kübrateks Management, alle entlassenen Beschäftigten ohne Vorbedingungen wieder an ihre vorherigen Arbeitsplätze einzustellen und ihren Lohn aus der Zeit der Entlassung bis zur Wiedereinstellung nachzuzahlen. Wer keine Wiedereinstellung will, soll zumindest die Entschädigung nach türkischem Gesetz erhalten.

Ineke Zeldenrust vom Internationalen Büro der CCC betont:

Levi’s hat es nicht nur total versäumt, Menschenrechtsverstöße ernsthaft zu bekämpfen, sondern darüber hinaus seine eigenen Befunde und Erkenntnisse dazu ignoriert. Da Levi’s als Auftraggeber 100% des Produktionsvolumens der Fabrik in Anspruch nimmt, hat die Marke alle Möglichkeiten, die Vereinigungsfreiheit dort durchzusetzen. Die Vereinigungsfreiheit ist eine ILO-Kernarbeitsnorm und damit ein Grundrecht. Seiner Verantwortung für dessen Umsetzung ist Levi’s nicht gerecht geworden

Türkei: Streik wegen Verletzung der Vereinigungsfreiheit

Am 27. November 2023 begannen Hunderte der Beschäftigten, die Özak Tekstil in Şanlıurfa im Südosten der Türkei für Levi Strauss arbeiteten, einen Streik wegen der Verletzung ihrer Vereinigungsfreiheit. Konkret war die junge BİRTEK-SEN-Aktivistin Seher Gülel entlassen worden. 600 der 768 Beschäftigten der Fabrik, die zur Özak Global-Gruppe gehört, waren bis Mitte Dezember 2023 Mitglied von BİRTEK-SEN.

Bei den Bemühungen von BİRTEK-SEN, die Beschäftigten zu organisieren, wurden insbesondere junge Frauen bedroht und eingeschüchtert. Das Recht und die Freiheit, Gewerkschaften eigener Wahl beizutreten, wurde nicht respektiert. Stattdessen lud eine andere Gewerkschaft, die dem Özak-Management genehmer ist, Frauen in ihre Büros ein und drohte ihnen, ihren Ehemännern und Familien zu erzählen, dass sie unmoralisch handelten, wenn sie sich für BİRTEK-SEN entschieden. Die friedlich Streikenden riefen nach internationaler Solidarität. Die Regionalregierung von Şanlıurfa sandte Sicherheitskräfte mit Tränengas, Schlagstöcken, Pfefferspray und ließ verhaften. Die Entlassung der Streikenden durch das Özak-Management folgte.

Funda Bakış, eine der Aktivistinnen unter den Arbeitenden, sagt:

Wir haben unser verfassungsmäßiges Recht wahrgenommen, einer Gewerkschaft unserer Wahl beizutreten, um bessere Arbeitsbedingungen zu erkämpfen. Deshalb wurden wir BİRTEK-SEN-Mitglieder. Vierhundert Beschäftigte wurden entlassen, weil sie dieses Recht in Anspruch nahmen. Wir produzieren für Levi’s. Obwohl wir der Jeansmarke vom ersten Moment an das Problem anzeigten, hat Levi’s nichts unternommen. Wir laden alle Verbraucherinnen und Verbraucher, die Levi’s-Bekleidung tragen, ein, uns zu unterstützen und von der Modemarke die Einhaltung unserer Rechte zu fordern.

Verantwortung der Auftraggeber

Als einziger Auftraggeber der Fabrik war Levi’s in einer ausgezeichneten Position, um eine schnelle Lösung herbeizuführen. BİRTEK-SEN und CCC-Organisationen nahmen Kontakt mit der Modemarke auf und Levi’s versprach, vor Ort zu untersuchen. Gleichzeitig erfolgte jedoch die Entlassung der 400 Streikenden.

Ende Dezember benachrichtigte Levi’s die CCC, dass sie gegenüber ihrem türkischen Lieferanten die Entlassung der Arbeiterin im November verurteilte und Abhilfe forderte, die nun erfolgt sei. Levi’s unterstütze gemäß seinem Verhaltenskodex klar das Recht der Beschäftigten auf Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit. Levi’s versicherte gegenüber der CCC, es habe das Fabrikmanagement aufgefordert, die entlassenen Streikenden wiedereinzustellen, und dass es andernfalls notwendige Schritte unternähme. Gegenüber verschiedenen Initiativen, die Levi’s zu dem Fall kontaktierten, äußerte die Modemarke ihre Entschlossenheit, gegebenenfalls die Geschäftsbeziehungen mit dem türkischen Lieferanten einzustellen.

Versprechen bisher nicht eingelöst

Nichts dergleichen trat ein. Durch den Bericht des Worker Rights Consortium (WRC), einer unabhängigen Organisation, die zu Arbeitsrechtsverletzungen recherchiert, erfahren wir, dass Levi’s diesen Versprechungen nie Taten folgen ließ und auch nie aufhörte, in der Fabrik produzieren zu lassen. Anstatt darauf zu bestehen, dass die Arbeiter*innen wiedereingestellt werden, tolerierte Levi’s, dass Özak Global andere Beschäftigte einstellte. Gleichzeitig hatte Özak Global inzwischen die Arbeitsverträge der verbliebenen Beschäftigten auf ihren Subunternehmer Kübrateks übertragen. All dies geschah, um die Wirksamkeit von BİRTEK-SEN in der Fabrik zu unterlaufen.

Appelle an Levi’s blieben unbeantwortet. Die Clean Clothes Campaign erfuhr vielmehr durch BİRTEK-SEN, dass das Fabrikmanagement 50 der Entlassenen angeboten hatte sie wiedereinzustellen – unter der Bedingung, dass sie nichts mehr mit BİRTEK-SEN zu tun hätten. Der WRC-Bericht offenbarte, dass gleich nach der Entlassung den Streikenden vom Fabrikmanagement ein Dokument zur Unterzeichnung vorgelegt worden war, in dem sie auf ihre Wiedereinstellung und „gesetzliche Entschädigung“ verzichteten. Da sie dadurch Anspruch auf eine wenn auch geringe gesetzliche Abfindung hatten, unterschrieben die meisten aus schierer Not. Auch wenn die Arbeiter*innen das Dokument unterschrieben, bedeutet das weder, dass die Forderungen der BİRTEK-SEN-Mitglieder nach Wiedereinstellung und Entschädigung nicht rechtens wären, noch, dass Levi’s dies nicht mehr nach seinem eigenen Verhaltenskodex vom Fabrikmanagement fordern müsse.

Mehmet Türkmen, Präsident von BİRTEK-SEN, meint:

Levi’s ist global führend in der Jeans-Industrie. Levi’s-Produkte werden in über 50.000 Geschäften in über 100 Ländern weltweit verkauft. Die Modemarke stellt sich selbst so dar, als wären alle ihre Bekleidungsstücke ausbeutungsfrei und als würde sie Arbeitsrechte bei allen ihren Lieferanten respektieren. Derselben Firma sind ihre Özak-Beschäftigten egal, die über Monate für ihre Gewerkschaftsrechte wie für humane und menschenwürdige Bedingungen kämpften.

Soldaten und ein Militär-Lkw stehen einer Gruppe Menschen gegenüber. Der Himmel ist grau.

„Levi’s muss sein Versprechen einhalten und gewerkschaftliche Rechte bei seinem Lieferanten garantieren und schützen“, fordert Bettina Musiolek von der CCC DE. Außerdem müsse sowohl der Zulieferer als auch Levi’s die Gewerkschaft als Verhandlungspartner anerkennen und faire Arbeitsbedingungen garantieren.

Levi’s versicherte, dass es weiter mit Özak/Kübrateks nur unter der Bedingung zusammenarbeite, dass das Management einen konkreten Plan vorlege, wie die Probleme bei der Vereinigungsfreiheit, den Arbeitszeiten und dem Arbeitsschutz zu beseitigen sind. Die CCC hat bis dato keine Kenntnis von einem solchen Plan. Die klare Botschaft der Firma an die Beschäftigten lautet: Wenn Ihr Eure Rechte wahrnehmt, werdet Ihr bestraft. „Wenn Modemarken den Menschen sagen, dass sie Menschen- und Arbeitsrechte respektieren, so entspricht das nicht der Realität.“, sagt Musiolek

Firmen der Özak Global-Gruppe erhalten Aufträge auch von Hugo Boss und Inditex-Zara

Zu den Auftraggebern der verschiedenen türkischen Fabriken von Özak Global gehören Hugo Boss und Inditex (Marken Zara, Pull&Bear, Massimo Dutti, Bershka, Stradivarius etc). Mit dem WRC-Bericht liegen ihnen nun auch Beweise vor, wie ihr Lieferant möglicherweise Rechte verletzt. Auch wenn sie nicht in der besagten Fabrik, sondern einer anderen der Özak Gruppe produzieren lassen, haben Modemarken dennoch eine Verantwortung, ihre Lieferanten zur Einhaltung der Gewerkschaftsfreiheit zu verpflichten. Nur dann kommen sie ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nach. Der Internationale Gewerkschaftliche Arbeitskreis Köln, IGAKK, hat Briefe an die betreffenden Unternehmen gerichtet und parallel einen Hinweis im Namen von BİRTEK-SEN beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht.

 

Weitere Informationen und Kontakt:

    • Christie Miedema (deutsch, englisch), Clean Clothes Campaign – Internationales Büro, christie@cleanclothes.org, +31642060638.
    • Bettina Musiolek, Clean Clothes Campaign/Kampagne für Saubere Kleidung – Ost-/Südosteuropa und Türkei, +49 176 577 13 247
Beitragsbilder: © BIRTEK-SEN
#PayYourWorkers, Hugo Boss, Inditex – Zara, Levi's, Türkei

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