Auf einer Bühne steht ein Mann. Über ihm befindet sich ein großer Bildschirm. Zusehen sind Textausschnitte.

Die Yes Men schlagen wieder zu: “adiVerse” prangert adidas’ Ignoranz an

Der inakzeptable Umgang mit Arbeiter*innen in der Lieferkette von adidas steht erneut im Mittelpunkt einer Fake-Aktion zum Thema Arbeitsrechte. Hinter dem Schwindel stehen das Aktivist*innenkollektiv The Yes Men und die Bündnispartner*innen der Pay Your Workers – Koalition. Mit der Aktion fordern sie das Unternehmen auf, ernsthafte Schritte zum Schutz der Textilarbeiter*innen in seiner Lieferkette zu ergreifen und das verbindliche Abkommen „Pay Your Workers – Respect Labour Rights“ zu unterzeichnen.

Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres führen die Yes Men-Aktivist*innen adidas vor und machen auf die ignorante Haltung des Unternehmens gegenüber den Beschäftigten in seiner Lieferkette aufmerksam. Auf dem Web Summit in Lissabon, der weltgrößten Tech-Konferenz, gaben die Aktivist*innen sich als adidas-Vertreter*innen aus und kündigten an, dass das Unternehmen seine Arbeiter*innen künftig in virtueller Währung bezahlen werde. So könnten diese den virtuellen „adiVerse“ Luxus genießen, der ihnen in der realen Welt verwehrt bleibt.

Während der Berliner Modewoche 2023 hatte die Aktivist*innen-Gruppe bereits eine falsche Erklärung im Namen von adidas veröffentlicht, in der angekündigt wurde, dass eine ehemalige Textil-Arbeiterin Co-Vorstandsvorsitzende werden würde – und dass adidas das Abkommen Pay Your Workers – Respect Labour Rights unterzeichnen würde. Das Abkommen verpflichtet das Unternehmen rechtlich dazu, Arbeiter*innen im Falle von Fabrikschließungen zu entschädigen und ihre Rechte, besonders die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, zu schützen.

adidas: „schlimmster Übeltäter im Zusammenhang von Lohndiebstahl“

„Das adidas beträchtliche Summen für eine Alternativwährung und ein virtuelles Universum ausgibt, um zu verhindern, dass den Arbeiter*innen in der Bekleidungsindustrie bezahlt wird, was ihnen zusteht, ist gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt. Die Realität ist wahrscheinlich sogar noch düsterer: adidas hat Hunderte von Millionen ausgegeben, um das Katar-Debakel der FIFA zu sponsern, und dabei in Kambodscha, Indonesien und anderswo die berechtigten Ansprüche der Beschäftigten auf das ihnen zustehende Geld ignoriert“, sagte Billy Yates, US-Koordinator der Kampagne Pay Your Workers.

In einem Bericht der Schweizer Organisation Public Eye von 2021 wird adidas als schlimmster Übeltäter im Zusammenhang von Lohndiebstahl hervorgehoben. Das Unternehmen schuldet Textilarbeiter*innen mehr als 11 Millionen Euro an ausstehenden Löhnen. Die ehemaligen Beschäftigten der Fabrik Hulu Garment in Kambodscha kämpfen seit April 2020 um mehr als 1 Million Dollar an vorenthaltenen Abfindungen.

Eine vermummte Person wird interviewt.

„adidas vermarktet sich gerne als fortschrittlich, aber die Women of Colour, die in der Lieferkette des Unternehmens arbeiten, sind den Verantwortlichen offensichtlich egal. Immer wieder hat der Sportgigant Arbeiter*innen im Stich gelassen: Er hat nichts getan, als die Beschäftigten von Hulu Garments dazu gebracht wurden, ohne Abfindung zu kündigen. Er hat nichts getan, als Arbeiter*innen in anderen Fabriken nur einen Bruchteil ihrer Löhne erhielten. Er lässt zu, dass Beschäftigte, die adidas-Produkte fertigen, keine Mindestlöhne erhalten”, sagt Christie Miedema, Koordinatorin für Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit der internationalen Clean Clothes Campaign.

Im Mai: Kampagne für Saubere Kleidung auf der adidas-Hauptversammlung

Die Aktionen der Yes Men finden nicht in einem Vakuum statt. Seit 2022 haben Gewerkschaften und Arbeitsrechtsorganisationen auf der ganzen Welt wiederholt Briefe an adidas-Verantwortliche geschrieben und Proteste organisiert, um adidas zur Unterzeichnung des Abkommens zu bringen. Im August dieses Jahres tauchten Textilarbeiter*innen in Indonesien vor dem lokalen adidas-Büro auf und trugen ein Banner mit der Aufschrift „Cut the cake, not the wage“ (deutsch: “Schneidet den Kuchen, nicht die Löhne”) . Im Mai konfrontierten Aktivist*innen der Kampagne für Saubere Kleidung das Unternehmen während der Hauptversammlung, während zahlreiche Proteste u. a. in Pakistan, Kambodscha, Polen stattfanden.

„adidas verweist oft auf Schwierigkeiten in diesem Jahr, die es nach dem Bruch mit Ye hatte. Aber die sind nicht zu vergleichen mit der  Not der PT Panarub-Arbeiter*innen in Indonesien, die Yeezy-Schuhe herstellten und ihre Arbeitsplätze verloren. Zwar hat adidas entschieden, einen Teil des Gewinns für Anti-Diskriminierungszwecke zu spenden. Doch derer Großteil der Einnahmen nutzt das Unternehmen dazu, die Finanzzahlen für 2023 zu verbessern. Im Mai forderten wir gemeinsam mit drei anderen Gewerkschaften adidas auf, 2 bis 3 Prozent der Yeezy-Einnahmen für die Entschädigung der Beschäftigten auszugeben. Wir haben keine Antwort erhalten“, sagt Kalpona Akter, Präsidentin der Bangladesh Garment and Industrial Workers Federation.

Mit der Unterzeichnung des Abkommens „Pay Your Workers – Respect Labour Rights“ würde sich adidas verpflichten:

  • Ausstehende Lohn- und Abfindungszahlungen an Arbeiter*innen in der Lieferkette für den Zeitraum der COVID-19-Pandemie zu begleichen;
  • durch die Einrichtung und Zahlung in einen Abfindungsgarantiefonds dafür zu sorgen, dass die Beschäftigten nie wieder mittellos dastehen, wenn ihre Fabrik in Konkurs geht.

Weitere Informationen:

  • Das Bündnis Pay Your Workers – Respect Labour Rights wird von 285 Gewerkschaften, Arbeits- und Menschenrechtsorganisationen und vielen anderen Organisationen in über 50 Ländern getragen
  • Weitere Informationen zum vorgeschlagenen Abkommen hier oder auf payyourworkers.org
  • Informationen über adidas hier oder auf adidasSTEALS.com
  • Weitere Infos zur Fake-Aktion für den adiCoin und adiVerse findet ihr auf adicoin.com
  • Recherchen zu den dem, was Arbeiter*innen geschuldet wird, gibt es von Public Eye (2021), Worker Rights Consortium (2021) und Action Aid Australia (2023). Eine Karte der Arbeitsrechtsverletzungen in der Lieferkette  von adidas findet sich hier.
  • weitere Informationen über die Yes Men-Aktion vom Januar 2023 gibt es hier und hier.
adidas, Lieferkettengesetz, Unternehmensverantwortung

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