Gerbereiarbeiter in Bangladesch © Change Your Shoes Inkota GMB Akash Wir brauchen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz! Kampagne für Saubere Kleidung | Clean Clothes Campaign Germany

Wir brauchen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz!

Ausbeutung und Umweltzerstörung in der weltweiten Produktion von Schuhen und Leder zeigen: Wir brauchen ein wirksames EU-Lieferkettengesetz:

Ob Indien oder Bangladesch, ob Indonesien oder Türkei: Bei der Produktion von Schuhen und Leder kommt es weltweit zur Verletzung von Menschenrechten und Umweltzerstörung. Unternehmen wie Deichmann, Zalando oder Wortmann (Tamaris) betreiben ihr Geschäft mit diesen Produkten. Damit das EU-Lieferkettengesetz daran etwas ändert, muss es stärker ausfallen als das deutsche Lieferkettengesetz!

Bei der Kampagne für Saubere Kleidung decken wir seit einigen Jahren schwerpunktmäßig immer wieder gravierende Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzungen in den Lieferketten von Schuhen und Leder auf. Arbeiter*innen und Anwohner*innen von Gerbereien und Schuhfabriken sind die Leidtragenden. 2020 wurden 87,6% aller Schuhe in Asien produziert – hier liegt also der Schwerpunkt der Produktion aber ebenso der Missstände in der Schuhindustrie. Auch die Schuhe für den europäischen Markt stammen zu einem großen Teil aus Asien – unter den Top 10 Importländern der EU für Schuhe sind China, Vietnam, Indonesien, Indien, Kambodscha und Bangladesch. Leder bezieht die EU aus der ganzen Welt – unter anderem aus Brasilien, den USA, Indien, Nigeria und der Türkei.

Wo die verantwortlichen europäischen Unternehmen an den Anfängen der Lieferketten nicht ausreichend hinschauen, verschärfen sich die strukturellen Probleme, die Menschenrechte aushöhlen. So sind in der Schuhherstellung informelle Beschäftigungsverhältnisse wie Heimarbeit oder illegale Tagelöhnerarbeit weit verbreitet. Außerdem schränken Regierungen und Arbeitgeber*innen die Arbeiter*innen in ihrer Vereinigungsfreiheit und ihrem Recht auf Kollektivverhandlungen ein. Beschwerdesysteme, mit denen Betroffene die Missstände bei den großen Kunden – also den Unternehmen in Europa – anprangern könnten, funktionieren oft nicht.

Wenn es um ihre konkreten Lieferketten geht, ist die Schuhbranche intransparent

Arbeiter*innen und Anwohner*innen der Schuhfabriken können nur selten einen direkten Zusammenhang zu den verantwortlichen Unternehmen in Europa herstellen. Noch seltener gelingt dies bei Gerbereien. Der Grund: Wenn es um ihre konkreten Lieferketten geht, ist die Schuhbranche intransparent.

Um diese Situation systematisch zu verbessern, greift das deutsche Lieferkettengesetz zu kurz. Das Gesetz beschränkt sich auf Unternehmen ab einer Größe von 3.000, später 1.000 Mitarbeiter*innen. Damit bleiben zahlreiche Unternehmen selbst in Risikobereichen wie der Schuh- und Lederherstellung außen vor. Die Schuhbranche ist von einer Aufteilung in zahlreiche kleinere Unternehmen in Einzelhandel (online oder stationär) und Schuhproduktion geprägt, anstatt durch Großkonzerne – Verantwortung darf sich dann erst recht nicht auf große Firmen beschränken. Nicht umsonst gilt die Sorgfaltspflicht, die die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte festhält, für alle Unternehmen.

Außerdem ist es fatal, dass das deutsche Lieferkettengesetz zwischen direkten und indirekten Zulieferern unterscheidet und indirekte Zulieferer nur bei substantiierter Kenntnis von Menschenrechtsverletzungen stark berücksichtigt werden müssen. Beim Verkauf von Schuhen setzen sich neue Geschäftsmodelle durch. Handelsunternehmen wie Zalando haben kaum Eigenmarken, sind jedoch ein großer Marktplatz für andere Schuhhersteller.  Lebensmitteldiscounter wie Lidl oder ALDI verkaufen Schuhe als Aktionsware oder im Online-Shop. Deren direkte Zulieferer sind deutsche Schuhunternehmen. Die eigentliche Produktion erfolgt dann aber in Schuhfabriken und Gerbereien, die beispielsweise indischen oder pakistanischen Unternehmen angehören und dann als indirekte Zulieferer der großen Einzelhändler gelten.

Stärkung der Risikovorsorge entlang der gesamten Lieferkette

Die Arbeiter*innen und Anwohner*innen der Produktionsstätten in der gesamten Lieferkette brauchen weitreichende Arbeits- und Umweltschutzmaßnahmen und effektiven Zugang zu Beschwerde- und Abhilfesystemen. Dazu zählt auch, dass Unternehmen haftbar gemacht werden können, wenn sie nicht ausreichend vorsorgen, um die Menschen entlang der Lieferketten zu schützen.

Damit die Rechte der Arbeiter*innen in der Schuhindustrie nicht länger mit Füßen getreten werden, muss ein europäisches Lieferkettengesetz die Risikovorsorge entlang der gesamten Lieferkette stärken – sonst droht weiterhin ein Hin- und Herschieben von Verantwortung zwischen Einzelhandel, Industrie und Zulieferern. Und das europäische Lieferkettengesetz muss gerade bei Risikoprodukten wie Schuhen und Lederwaren alle Unternehmen umfassen – unabhängig von der Unternehmensgröße und der Art der Geschäftsbeziehung zwischen den Unternehmen. Nur so kann es einen besseren Schutz der Arbeiter*innen und Anwohner*innen weltweit erreichen – ob in Indien, Bangladesch, der Türkei oder anderswo.

Ausführlichere Informationen unter https://lieferkettengesetz.de/fallbeispiel/mit-fussen-getreten.

Deshalb jetzt für ein starkes EU-Lieferkettengesetz unterschreiben !

Übrigens: Mehr als 220 Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften aus der ganzen Welt haben sich im Mai 2022 mit einer gemeinsamen Erklärung an das Europäische Parlament und die EU-Mitgliedstaaten.

zur Erklärung (pdf, 3,3 MB): Erklärung der Zivilgesellschaft zur vorgeschlagenen EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit

Beitragsbild: Gerbereiarbeiter in Bangladesch ©Change Your Shoes, Inkota; Fotograf: GMB Akash
Bangladesch, Initiative Lieferkettengesetz, Lieferkettengesetz, Lieferkettentransparenz

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